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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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hätte ihn bestraft. Sie hätte ihn schlimme Dinge erleben lassen, auf dass er auf ewig bereut hätte, den Butterfisch getötet zu haben.
    »Wenn sie aufhören zu streiten, ist es besser, wenn wir nicht mehr hier sind.«
    Colin wusste, wie das normalerweise endete. Helen Darcy schrie so lange auf ihren Mann ein, bis dieser entnervt von dannen zog. Archibald Darcy fuhr dann irgendwohin, zeltete zwei Tage in der Wildnis und beobachtete seine Vögel. Helen Darcy blieb in Ravenscraig zurück und ließ ihren Frust und die Wut an denen aus, die das Pech hatten, sich in ihrer Nähe aufzuhalten.
    Und das waren in der Regel ihre beiden Söhne.
    Vergriff sich dann einer der beiden noch im Ton, so hatten sie ein ernsthaftes Problem.
    »Ist gut«, war Colin schnell überzeugt. »Lass uns abhauen.« Er nahm Danny bei der Hand und erzählte ihm unterwegs eine lange Geschichte, die das sorgenvolle Gesicht des Kleinen aufhellte und den Streit der Eltern vergessen ließ. Es war die Geschichte zweier Revolverhelden, die für Recht und Ordnung sorgten in einer kleinen Stadt, hoch oben in den Highlands. Charles war der eine Revolverheld, Gordon der andere. Mutig kämpften sie gegen Banditen und wurden schon bald zur Legende.
    So erreichten Colin und Danny Rio Bravo.
    »Du hast euch beide dahin gebracht«, sagte Livia unter dem Efeu. »Du hast es getan, Colin.«
    »Ja, ich weiß. Aber ich weiß nicht, warum ich es tun kann.«
    Livia erinnerte ihn an die Dschinni.
    »Meine Mutter erzählt viele Lügen«, meinte Colin nur. Und fuhr mit der Geschichte fort: »Rio Bravo war ruhig an diesem Tag, alles war so wie immer.«
    Danny und Colin waren da, wo Helen Darcy sie nicht linden würde.
    »Trotzdem hatten wir Angst, sie könnte es doch tun.«
    In der Ferne spielte ein alter Mexikaner auf seiner Trompete. Es war eine langsame Melodie, traurig und schleppend. Würde er aufhören mit dem Spiel, dann müssten sich die Jungs in Acht nehmen. Denn dann würde ihre Mutter mit der Suche nach ihnen beginnen, und dann würden Banditen in den Ort kommen, mit denen nicht zu spaßen wäre, und sie würden mit allen Mitteln versuchen, die Jungs gefangen zu nehmen und zu ihrem Boss zu bringen.
    Ja, so sah es aus, wenn die Angst Gestalt annahm. Colin und Danny wussten sehr gut, wer der Boss war.
    »Als die Banditen kamen, waren wir vorbereitet.«
    »Wie in dem Film.«
    »Ja, genau wie in dem Film.«
    »Aber in Rio Bravo hat kein Mexikaner Trompete gespielt«, sagte Livia. »Das war ein anderer Film mit John Wayne.«
    »Ist egal«, grummelte Colin. »In unserem Rio Bravo hat ein Mexikaner Trompete gespielt. Und als er aufgehört hat zu spielen, da sind sie gekommen.«
    Colin und Danny hatten sich im Büro des Sheriffs verschanzt und den wütenden Banditen geantwortet, indem sie ihren Winchester-Gewehren das Reden überließen. Zwischendurch hatte Danny ein Lied gesungen, weil es ihn beruhigte, und Colin hatte durch die Schlitze in den Fensterläden gelugt und die Banditen nicht aus den Augen gelassen.
    Beide wussten sie, dass die Banditen nur tumbe Handlanger waren, die im Auftrag eines noch viel böseren Bösewichts handelten. Dieser noch viel bösere Bösewicht ließ sich aber nie in Rio Bravo blicken. Er schickte immer nur seine Regulatoren in die Stadt, konnte jedoch aus einem Grund, den keiner der beiden kannte, nie selbst dorthin kommen.
    »Es war uns klar«, erklärte Colin, »dass die Handlanger nicht wirklich da waren. Sie waren nur das, wovor wir solche Angst hatten. Wenn wir keine Angst mehr hatten, dann waren sie besiegt. Sie lösten sich in Luft auf, ich habe es gesehen.«
    »Und ihr Auftraggeber?«
    »Wir glauben, dass es unsere Mutter ist. Wenn wir nicht in Ravenscraig sind, dann sucht sie nach uns. Aus irgendeinem Grund kann sie Rio Bravo nicht betreten.«
    »Wie oft seid ihr dort gewesen?«
    »In Rio Bravo? Ich weiß es nicht.«
    Manchmal waren sie nur kurz dort gewesen, manchmal mehrere Tage.
    »Sie wusste, dass da etwas ist, was nur uns beiden gehört.«
    Helen Darcy ahnte, dass etwas von ihrer Gabe, oder wie immer man es nennen mochte, auf ihren Nachwuchs übergegangen sein musste. Die Geschichte mit der Dschinni war der Beweis dafür, dass sie das glaubte.
    »Wenn wir länger fort waren, dann hat sie uns bestraft. Nur manchmal war sie einfach bloß gleichgültig.«
    Livia starrte in den Regen hinaus. »Das Leben kann schon seltsam sein, was?!«
    Colin nickte.
    Der Galloway Graveyard gehörte nur ihnen. Fast war ihm, als wäre dem immer

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