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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Geschichten ihrer Mutter, standen Seite an Seite und schössen sich den Weg frei. Dies hier war ihre Stadt, und niemand, keine Miss Mirren und auch kein Fremder, würde sie dem Erdboden gleichmachen.
    Ein Burdette nach dem anderen stürzte mit dem Gesicht voran in den heißen Sand.
    Augenblicke später war es vorbei.
    Der Rauch aus den Revolvermündungen trieb über die Hauptstraße.
    Joe Burdette, der wie Claude Atkins aussah und der Anführer der Bande war, kniete im Dreck. Eine Kugel hatte ihm die Hand zerschmettert, eine weitere steckte in seiner Schulter. Er biss die Zähne zusammen, als er die Darcy-Jungs auf sich zukommen sah.
    Geh zurück zu Miss Mirren, sagte Colin.
    Ja, und sag ihr, knurrte Danny, dass wirkeinen von euch mehr hier sehen wollen.
    Colin nickte, seine Hand ruhte noch immer auf dem Sandelholzgriff des Revolvers, man wusste ja nie. Geh zu Miss Mirren und sag ihr, dass Helen Darcys Söhne nicht länger ihr Eigentum sind. Sie wird verstehen, was wir damit meinen.
    Joe Burdette erhob sich mit einem Keuchen. Wir sehen uns wieder, sagte er.
    Nein, antwortete Colin ruhig, das werden wir nicht.
    Denn er wusste etwas, was Joe Burdette nicht wusste.
    »Rio Bravo war unsere Geschichte, sie gehörte keinem anderen.« Colin konnte fast noch den Staub von einst schmecken und die Hitze auf der Haut spüren. »Meine Mutter hat niemals wieder versucht, uns dorthin zu folgen. Seltsamerweise sind auch wir nie wieder nach Rio Bravo gegangen, nach diesem Tag.«
    Es war nicht mehr nötig gewesen.
    Denn Helen Darcy hatte ihre Söhne von nun an in Ruhe gelassen.
    »Sie wusste, dass wir all diese Dinge erfinden konnten, und es hatte sie geschwächt, besiegt worden zu sein.« Die folgenden Worte betonte er übertrieben spöttisch: »Von ihren einzigen beiden Söhnen. Sie kannte ihre Grenzen, ja, jetzt kannte sie sie, endlich.« Nachdenklich sah er die Mauern des Galloway Graveyard am Horizont auftauchen. »Aber die Geschichte geht noch weiter.«
    Livia hörte zu, denn das war alles, was sie in diesem Augenblick tun konnte.
    »Sie drehte vollkommen durch«, sagte er.
    Helen Darcy, so berichtete es ihnen später eine völlig verängstigte Miss Robinson, schrie und tobte wie eine Furie durch Ravenscraig. Ihr Mann war bei ihr und redete auf sie ein, aber sie warf ihm Dinge an den Kopf, die kein Kind seine Mutter zu seinem Vater sagen hören sollte. Und da Colin und Danny noch in Rio Bravo verweilten, als sich dies alles zutrug, hörten sie es auch nicht. Aber Archibald Darcy hörte es. Er musste die Anschuldigungen hinnehmen, dass seine missratenen Söhne seien wie er selbst, dass sie sich gegen die eigene Mutter erhoben hätten, dabei habe sie die beiden unter solchen Schmerzen geboren, ihre einzigen beiden Söhne, verdammt noch mal, so eine Scheiße. Und dann, ganz plötzlich, starben mit einem Schlag alle Tiere, die Archibald Darcy in dem Aquarium gehalten hatte.
    »Er war untröstlich, danach«, sagte Colin Darcy.
    »Hat Helen die Tiere getötet?«
    Er zuckte die Achseln. »Mein Vater hat nie darüber gesprochen.«
    »Was glaubst du?«
    Colins Blick war Antwort genug.
    »Aber warum hat sie das getan?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Nach diesem Tag jedenfalls, nach ihrer Rückkehr aus Rio Bravo, war es still geworden in der kleinen Stadt, die noch immer irgendwo zwischen Texas und den Rhinns of Galloway liegen mochte.
    »Der Friedhof sieht noch genauso aus wie vor sieben Jahren«, stellte Colin fest, als er Livia folgte, durch das gusseiserne Tor trat und seinen Fuß auf den Galloway Graveyard setzte. Langsam und leise, wie damals, gingen sie an den Gräbern entlang, entdeckten altbekannte Namen und sahen überall die Erinnerungen aufflackern wie gewisperte Versprechen, die jetzt endlich eingehalten wurden.
    Das von Unkraut überwucherte Grab seines Vaters, der damals alle Tiere in seinem geliebten Aquarium verloren und sich nie wieder neue angeschafft hatte, befand sich am Fuße einer Eiche, mit Ausblick auf die See, die in einiger Entfernung gegen die Klippen rauschte.
    Es war Livia, die das gelbe Band entdeckte, das jemand an den großen Ast der Eiche gebunden hatte. Es flatterte unruhig im Wind wie ein Zeichen, das nicht übersehen werden wollte.
    »Was hat das zu bedeuten?«
    »Das war Danny«, sagte Colin. Es konnte nur so sein. Wer sonst wusste davon?
    Colin und Livia standen still vor dem Grab, in dem die Erinnerung an Archibald Darcy ruhte.
    »Ich habe von Arthur Sedgwick geträumt, letzte Nacht.«
    »Willst du

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