Fächerkalt
und ihre himmelblauen Augen blitzten. »Gehen Sie net dort drüben rein,
es liegt wirklich kein Segen drauf.«
Wellmann
drückte der gebrechlichen alten Frau lange die Hand. »Es hat mir sehr zu denken
gegeben.«
»Ich hab’s
zu allen g’sagt, aber keine hat auf mich hören wollen. Die Ilse net, die so plötzlich
verschwunden ist, und die Irene auch net. Aber die hab ich schon mindestens 14 Tag’
nimmer g’sehn.«
Wellmann
und Lindt zeigten ihre Dienstausweise. »Dürfen wir vielleicht reinkommen?«
»Ach so,
Sie sind von der Polizei. Normalerweise lass ich ja keine Fremden ins Haus, aber
bei zwei so netten Männern mach ich gern mal eine Ausnahme.«
Emilie ging
mit dem Rollator vorneweg, die Kripobeamten folgten ihr in die Küche.
»In meine
Küch’ kommt net jeder«, zwinkerte sie. »Nur wer mir besonders sympathisch ist.«
Sie zeigte auf die Eckbank. »Setzen Sie sich ruhig dorthin. Sie trinke’ doch sicher
a Tässel Kaffee mit mir.«
Ohne eine
Antwort abzuwarten, schob sie den Gehwagen in die Ecke, stützte sich an der Tischkante
ab und holte mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit drei Tassen samt Untertellern
aus dem altmodischen Küchenbuffet. Auch das Kaffeekochen mit Wasserkessel und Porzellantrichter
auf der Kanne ging ihr unglaublich flott von der Hand.
Bis der
Kessel auf dem Gasherd flötete, hatte die alte Frau bereits Milch, Zucker und eine
Packung Keksringe herbeigezaubert.
»Der wird
aber stark«, wunderte sich Oskar Lindt, als er sah, wie viele Messlöffel Kaffeepulver
in der Filtertüte verschwanden.
»Kaffee
zum Durchgucken gibt’s bei mir net. Der isch mein Benzin. Der hält mich auf Trab.
Und des da«, sie füllte sich drei Löffelchen Zucker in ihre Tasse, »hat mir der
Doktor eigentlich verboten, aber er sieht’s ja grad net.«
Ihre Hand
zitterte leicht beim Einschenken, dennoch ließ sie sich das Porzellan nicht abnehmen.
»Sagen Sie, was isch mit der Irene? So viele Polizisten da drüben in den letzten
Tagen. Und sogar in der Nacht, als sie den Eduard abg’führt haben. Da stimmt doch
was net.«
Die Kommissare
waren sprachlos. »Das haben Sie aber genau beobachtet.«
Emilie schob
die Fenstergardine zur Seite. »Meine Augen sind noch gut. Nur beim Lesen hapert’s
ein wenig. Wissen Sie, hier sitz ich immer, hör Radio und guck ’naus auf d’ Straß.«
»Sogar in
der Nacht?«
»In meim
Alter braucht man nimmer so viel Schlaf. Ich hab genau g’sehn, wie sich Ihre vermummten
Kollegen den Eduard g’schnappt haben.«
»Sie kennen
ihn?«
»Natürlich,
der hat ja lang g’nug da drüben g’wohnt. Von Villing, dass ich net lach! Erst ›von
und zu‹ und dann ›auf und davon‹!« Emilie Barnsteiner kicherte wie ein junges Mädchen.
»Wissen Sie, als der da drüben eingezogen isch, war er noch ein echt junger Kerl.
Da hat er noch studiert.«
»Es wundert
uns, dass er ganz alleine dort drin gewohnt hat«, hakte Oskar Lindt vorsichtig nach.
Emilie prustete:
»Alleine? Der war nie alleine! Der hat seine Freundinnen gewechselt, so oft wie
ander’ Leut die Unterhos’. Ich hab’s oft g’nug zu ihm g’sagt: ›Eduard, wart doch
mal ab, bis die Richtige kommt.‹ Da hat er nur gelacht und g’meint: ›Bisher war
mir jede die Richtige!‹ So, jetzt wissen Sie, was das früher für einer war.«
»Und heute?
Ist er da anders?«
Die alte
Frau nahm schnell ein Schlückchen aus ihrer Tasse. »Später ist er ja fortgezogen.
Ich glaub’ nach Baden-Baden in so eine Villa.«
»Dann haben
Sie ihn lange nicht gesehen?«
»Ach was,
die Weiber, die er da einquartiert hat, des waren doch alles seine Mätressen. Da
war er oft g’nug zu B’such. Man hat genau aufpassen müssen: Tor auf – Auto rein
– Tor zu und dann hat niemand mehr g’sehn, was da drüben los war. In den Hof sieht
man halt net rein.«
»Früher
wohnten Mutter und Tochter zusammen, haben Sie die näher gekannt?«
»Die Frau
hat niemals gegrüßt und des Kind hat nie auf der Straß’ g’spielt. Ich will ja nix
behaupten, gell, aber der Eduard war damals sehr oft bei denen da drüben, auch wie
er schon verheiratet war.«
»Sie meinen,
er hat beide besucht?«
»Es isch
wirklich viel g’schwätzt worden in der Straß’, aber ich sag dazu lieber nix. Was
denke’ Sie denn, warum die sich gemeinsam … und des Kind war grad 18 Jahr’ alt.«
»Schlimm«,
nickte Lindt. »Sehr schlimm.«
»Haben Sie
die Mieterin danach denn besser gekannt?«, wollte Paul Wellmann wissen.
»Sie meinen
die Ilse? Ja, die hat
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