Fächertraum
Bürokratie.«
Auf dem Weg zur Haustür nahm er noch einmal ihre Hand. »Was werden Sie jetzt machen?«
Sie wandte sich ab und drückte schnell ein weißes Taschentuch auf die Augen: »Aus der Traum!«
Lindt schritt die Auffahrt nach unten und zog das schmiedeeiserne Törchen hinter sich zu.
»Passt auf, falls sie wegfährt«, funkte er zu Sternberg, und Wellmann und steuerte seinen Wagen in die Nähe des Durlacher Bahnhofs.
Bereits eine halbe Stunde später hatte Anke Petri ihre strenge Dienstkleidung abgelegt und verließ die Fabrikantenvilla.
»Die fährt gar nicht mit dem Auto«, sprach Jan Sternberg in das Mikrofon. »Sie geht zu Fuß.«
»Ohne Gepäck?«
»Nur eine Handtasche. Sieht nicht so aus, als wollte sie verreisen.«
»Also Plan B«, gab Lindt durch. »Welche Richtung?«
»Abwärts.«
»Dann schau mal, dass du vor ihr an der Straßenbahn bist.«
So unauffällig wie möglich folgte Paul Wellmann der Frau mit seinem Wagen. »Jan, jetzt gehört sie dir«, meldete er, als sie sich ein paar Minuten später tatsächlich zu den Wartenden an der Haltestelle Turmberg gesellte.
»Bin schon da, aber mein Golf steht im Halteverbot«, kam die Antwort, und ein junger Mann, dessen Ohrstöpsel denen eines MP 3-Players täuschend ähnlich sahen, bestieg kurz hinter Anke Petri die Linie 1.
Wellmann kümmerte sich um Sternbergs Wagen, und Oskar Lindt folgte der Bahn in Richtung Stadtmitte. »Zwei Kollegen in Zivil steigen am Durlacher Tor zu. Gib Nachricht, falls sie die Bahn früher verlässt«, funkte der Kommissar, und Jan drückte zweimal den Sprechknopf seines Gerätes als Zeichen, dass er verstanden hatte.
Als die Tram in die Fußgängerzone der Kaiserstraße einfuhr, konnte Lindt nicht mehr folgen, überlegte kurz und lenkte den Citroën in Richtung des Polizeireviers Marktplatz. Auf dem für Einsatzfahrzeuge reservierten Seitenstreifen wartete er. Es dauerte aber keine Minute, bis er Sternbergs Stimme über Funk hörte: »Am Marktplatz ausgestiegen … Wir folgen … Sie geht … in die Volksbank.«
»Zwei Mann hinein, einer bleibt draußen, ich komme«, gab Lindt zurück. So schnell er konnte, eilte er an der Pyramide vorbei bis zur Bank.
»Sie wartet dort am Schalter«, informierte der Kollege vor dem Eingang. Der Kommissar betrat den Vorraum und suchte sich einen freien Kontoauszugsdrucker, von dem aus er in die Halle sehen konnte.
Zwei ältere Männer standen noch vor Anke Petri in der Schlange, etwas weiter hinten der zweite Kripokollege. Jan Sternberg beschäftigte sich gerade mit dem Ausfüllen eines Überweisungsformulars.
Als Frau Petri an die Reihe kam, konnte Lindt nur erkennen, dass die Bankangestellte nickte, zum Telefon griff und sie dann zu einem Durchgang geleitete.
Er rätselte kurz, was das bedeuten sollte, da wurde die Frau schon von einem weiteren Mitarbeiter in Empfang genommen und verschwand mit ihm nach hinten.
Als sie außer Sichtweite war, öffnete Lindt die Tür zur Schalterhalle.
Sternberg hatte sich bereits suchend nach ihm umgeschaut. »›Schließfach‹ konnte ich verstehen.«
»Also, worauf warten wir dann noch?«
Zielstrebig gingen Lindt und Sternberg in dieselbe Richtung wie Anke Petri. Dem erstbesten Banker, der sich ihnen in den Weg stellte, hielt der Kommissar seinen Dienstausweis unter die Nase. »Zu den Schließfächern, schnell.«
Sie kamen exakt zur richtigen Zeit. Als Anke Petri bemerkte, wer nach ihr in den Tresorraum der Karlsruher Volksbank getreten war, wich die Farbe schlagartig aus ihrem Gesicht. Hektisch versuchte sie, die Metallkassette wieder in die Öffnung zu schieben, doch Jan Sternberg war schneller und griff zu.
»Einen Moment, bitte«, sagte Oskar Lindt, nahm an dem schmalen Tisch Platz und wies auf einen weiteren Stuhl. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Dazu haben Sie kein Recht«, stammelte die Frau.
»Wir dürfen, Gefahr im Verzug.«
Jan stellte den flachen Blechkasten vor dem Kommissar ab. »Soll ich?«
»Warte noch«, antwortete Lindt, legte seine breite Hand darauf und sah Anke Petri an: »Sie wissen, was drin ist?«
»Er wollte vorsorgen.«
»Für wen?«
»Für mich, mit einer Lebensversicherung, falls …«
»Kennen Sie die Police?«
»800.000.«
»Bei Unfalltod vermutlich das Doppelte«, stellte der Kommissar fest.
Sie verschränkte die Arme und starrte mit trotzigem Gesichtsausdruck auf die Kassette, auf der nach wie vor Lindts Pranke ruhte.
»Er sagte, hier wäre der Vertrag sicher.«
»Sicher wovor? Vor
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