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Fähigkeiten unbekannt

Fähigkeiten unbekannt

Titel: Fähigkeiten unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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prä­zi­se und ge­wis­sen­haf­te Ar­beit ge­leis­tet hat­te. Es war nichts ver­ges­sen wor­den. Je­de Mög­lich­keit hat­te man aus­ge­schöpft.
    Mit den Ge­dan­ken an die dro­hen­de Ge­fahr schlief ich ein. Die In­jek­ti­on be­gann zu wir­ken.
     
     

4.
     
    Der Mas­ken­bild­ner war kein spe­zia­li­sier­ter Thea­ter­künst­ler, son­dern ein Mann mit drei aka­de­mi­schen Gra­den, Fach­ge­biet Bio­che­mie.
    Vor zwei Stun­den hat­te er mir die neue Ein­satz­mas­ke über den Kopf ge­streift, nach­dem das »Ge­sicht« des Oberst Gun­son end­gül­tig ent­fernt wor­den war. Bei die­sem Vor­gang war es er­for­der­lich, das künst­lich ge­züch­te­te, le­ben­de Ge­we­be der Bio­fo­lie an vier ver­schie­de­nen Stel­len durch win­zi­ge chir­ur­gi­sche Ein­grif­fe von mei­ner Haut ab­zu­tren­nen. Dort war die Fo­lie ver­wach­sen ge­we­sen, so daß es un­mög­lich war, ei­ne sol­che Spe­zi­al­an­fer­ti­gung gleich ei­ner ge­wöhn­li­chen Dienst­mas­ke vom Ge­sicht zu zie­hen.
    Die le­ben­den Fa­se­ren­den der neu­en Hül­le wa­ren mit den fri­schen Ein­schnitt­wun­den ver­klebt wor­den. Un­ter dem auf­ge­sprüh­ten Zell­plas­ma war der Hei­lungs­pro­zeß in vol­lem Gan­ge. Er dau­er­te nicht lan­ge und muß­te bald be­en­det sein. Die leich­ten Schmer­zen wa­ren längst ab­ge­klun­gen.
    Han­ni­bal hat­te das Ge­sicht ei­nes äl­te­ren, ver­küm­mert aus­se­hen­den Man­nes er­hal­ten. Sein von Na­tur aus ei­för­mi­ger Kopf wirk­te un­ter dem hauch­dün­nen Über­zug be­son­ders er­hei­ternd, zu­mal er nun ei­ne Glat­ze hat­te. Das syn­the­ti­sche Ge­we­be der Mas­ken er­nähr­te sich aus un­se­ren na­tür­li­chen Blut­kreis­läu­fen.
    Ich war mit mei­ner äu­ße­ren Er­schei­nung zu­frie­den. Der Al­te war of­fen­bar der Mei­nung, man müß­te mich in einen strah­len­den Hel­den ver­wan­deln. An­schei­nend hat­te er ein­mal et­was von der ga­lan­ten Zeit ge­hört.
    Psy­cho­lo­gisch be­trach­tet, war das rich­tig, da im all­ge­mei­nen nur at­trak­ti­ve Män­ner auf schö­ne Frau­en Ein­druck ma­chen kön­nen. Der Chef plan­te, un­ter Um­stän­den die Weib­lich­keit des Jah­res 1811 in sei­ne Er­mitt­lun­gen ein­zu­span­nen. Es konn­te durch­aus sein, daß es in die­ser Hin­sicht zu Kom­pli­ka­tio­nen kam.
    Aus die­sen Er­wä­gun­gen her­aus hat­ten die Spe­zia­lis­ten ein vor­teil­haf­tes Äu­ße­res für mich ge­wählt. So gut hat­te ich im Le­ben noch nicht aus­ge­se­hen, was ich – um der Wahr­heit wil­len – gern zu­ge­ben möch­te.
    An­ders lag der Fall bei Han­ni­bal. Er war mit sei­nen neu­en Ge­sichts­zü­gen gar nicht ein­ver­stan­den. Auf sei­nem um­fang­rei­chen Sprach­schatz hat­te er Flü­che und Schimpf­wor­te her­vor­ge­kramt, die die Da­men und Her­ren der bio­che­mi­schen Mas­ken­ab­tei­lung ei­lig in die Flucht schlu­gen.
    Jetzt lag der Zwerg apa­thisch auf sei­nem Bett. Er sah aus­ge­spro­chen gif­tig aus.
    »Für einen ame­ri­ka­ni­schen Of­fi­zier, der an­geb­lich noch un­ter dem al­ten Ge­or­ge Wa­shing­ton ge­gen die Sol­da­ten Sei­ner Bri­tan­ni­schen Ma­je­stät kämpf­te, siehst du wirk­lich be­zau­bernd aus«, sag­te ich lä­chelnd. »Ich ha­be ge­hört, die In­dia­ner vom Stam­me der Hu­ro­nen wä­ren be­son­ders wild auf Kahl­köp­fe ge­we­sen. Ver­mei­de nach Mög­lich­keit je­de Be­geg­nung mit Tro­phä­en­jä­gern, sonst ist dein Skalp fort.«
    Er be­schimpf­te in üb­ler Wei­se mei­ne Ah­nen, mein ethi­sches Emp­fin­den und zwei­fel­te schließ­lich noch an mei­nem Geis­tes­zu­stand.
    Na ja, der Zwerg hat­te noch nie Hem­mun­gen ge­kannt. Da­bei war ich sein di­rek­ter Vor­ge­setz­ter!
    »Schön ru­hig blei­ben, Klei­ner«, sag­te ich fried­fer­tig. »Ich kann zum Bei­spiel be­wei­sen, daß mein Va­ter kein Al­ko­hol­kran­ker war.«
    »Säu­fer ha­be ich ge­sagt!« be­ton­te er ag­gres­siv und gab mir Ge­le­gen­heit, sei­ne »be­han­del­ten« Zäh­ne zu be­wun­dern.
    Da ein al­ter Mann aus dem Jah­re 1811 un­mög­lich ei­ne gut­ge­ar­bei­te­te Pro­the­se ge­tra­gen hat­te, zu­min­dest war das mehr als un­wahr­schein­lich, hat­ten ihm

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