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Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
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wäre. Während ich in Sichtweite uniformierter Beamter mit Pistolen und Röntgengeräten warte, die zwischen mir und einem Leben bis nach meinem nächsten Geburtstag stehen, bin auch ich bereit, ihre Version der Dinge zu glauben.
    Beim letzten Boarding-Aufruf sitzen wir bereits an Bord. Mein erster Flug. Ich bin überrascht, wie sehr die Routineabläufe des Flugpersonals den Sketchen vom
Comedy Club
ähneln. Als das Flugzeug vom Flugsteig wegrollt, kündigt ein rosa Schimmer am östlichen Horizont des tintenblauen Himmels schon den neuen Tag an. Der Flugkapitän meldet eine kurze Verzögerung an der Startbahn, aber wir sind angeschnallt und rollen voran.
    »Bist du sicher, dass wir genug Geld hierfür haben, Mom?«
    »Es geht nicht immer nur um Geld.«
    »Aber ich hab gehört«, erzähle ich ihr, »wie Dad gesagt hat, er will nicht, dass du das Geld ausgibst.«
    »Er ist nicht so risikofreudig«, sagt Mom. »Das bedeutet nicht, dass er dich nicht liebt. Aber manchmal muss man einfach springen.«
    Ich bin froh, dass ich in letzter Sekunde noch den
Fänger
eingesteckt habe. Ein paar Stellen muss ich noch einmal lesen ... nachdem ich rausgekriegt habe, wie man den Gurt wieder löst und den Film einschaltet. Ich bin am Verhungern.
    Nach der Landung in Mexiko sehe ich im Flughafen einen beleibten Mann mit einer Baseballkappe der Los Angeles Dodgers und einem Pappschild, auf dem in roter Schrift FAMILIE LANDON steht. Darunter steht FAMILIE MCINTYRE. Mom lächelt und probiert ihr altes Highschool-Spanisch aus. Der Mann hält das Schild weiter über den Kopf und hört höflich zu.
    »Howdy«, dröhnt da eine Stimme hinter uns. »Genau da, wo der Doc sagte, dass Sie wären! Gefällt mir. Die Zuverlässigkeit von Arkansas.« Mit seiner karierten Jacke und dem breitkrempigen Cowboyhut sieht er doppelt so breit aus, wie er ist.
    In seinem Schatten steht das dünnste Mädchen, das ich je gesehen habe. Sie ist genauso groß wie Mom, aber ihre Schultern sind nach vorn gebogen, und die Sweatshirtärmel hängen ihr über die Handgelenke. Ihre Finger – also, was ich davon sehen kann – sind so knochig wie Spatzenkrallen. Mein erster Gedanke ist, dass sie kränker ist als ich. Und weil ich darüber erleichtert bin, fühle ich mich schrecklich.
    »Spike McIntyre, verehrte Dame, erfreut, Sie kennenzulernen.« Der Neuankömmling findet Moms Hand, schüttelt sie mehrere Male und lässt sie dann fallen, um seine fleischige Pranke auf meinen Kopf zu legen. Keine Zeit, mich wegzuducken, ich hab’s nicht kommen sehen. »Ist das Ihr kranker Junge?«, bellt er.
    Mom nickt und schickt mit den Augen ein stilles Lachen zu mir rüber.
    »Daniel. Daniel Landon«, sage ich, sehe aber zu dem Mädchen, das wohl seine Tochter ist. Ihre Augen sind geschlossen, und ihre Schultern zittern. Mr McIntyre beachtet sie nicht weiter und geht zu dem Mann mit dem Schild. Die Stimmen um mich herum sind stumm, während ich überlege, was ich tun soll. Ich kenne diesen Schmerz. Sie kann jede Minute umkippen. Sie braucht einen Stuhl. Ich nehme sie in den Arm. Das ist alles, was mir einfällt. Als sie zusammensackt, schwinge ich ihren federleichten Körper um meinen Koffer herum. Ihre Füße schleifen über den Boden. Ich gehe leicht in die Knie und platziere sie auf den Koffer, den Rücken gegen den Ausziehgriff gelehnt, den Kopf immer noch an meiner Schulter.
    »Alles okay?«, frage ich leise. »Willst du dich hinlegen?«, jetzt etwas lauter, während ihr Vater sich über die Turbulenzen auslässt, die eingeschränkte Getränkekarte, die mangelnde Beinfreiheit. Er dreht sich nicht um.
    Als der Schilder-Mann hustet und einmal mit dem Kopf nickt, dreht Mr McIntyre sich endlich um und reagiert sofort.
    »Liebling.« Mehr Überraschung als Besorgnis. »Mein liebes Kind, da hast du’s wieder, dein südlicher Charme lässt die Jungen reihenweise über dich herfallen.« Er legt eine Hand auf meine Schulter und zieht mich weg. »Ab jetzt übernehme ich, Junge.« Mit Armen wie Baumstämmen hebt er sie vom Koffer hoch, als wäre sie nur ein Küken, das aus dem Nest gefallen ist. »Worauf zum Teufel warten wir noch?«, ruft er dem gesamten Flughafen zu.
    Mom und ich sind sprachlos. Doch der Mann mit dem Schild tritt vor und schultert alle vier Taschen. Sieht so aus, als ob er das schon öfter gemacht hätte.
    »Willkommen in Mehico. Sie bringen gute Wetter, nein?« Ohne eine Antwort abzuwarten, geht er direkt in die blendende Sonne hinter den automatischen Glastüren.
    Das

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