Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
Vom Netzwerk:
auf einem leeren Stuhl ab, während sein Vater den Direktor in gebrochenem Spanisch mit Fragen bombardiert.
    »Ich fand, die waren mit allem ganz offen, oder was meinst du?«, fragt Mom, während wir nach dem Ausfüllen der Anmeldung und Händeschütteln mit dem Direktor wieder in unsere Zimmer gehen.
    »Es klingt ziemlich einfach«, antworte ich. »Wusstest du, dass hier alles auf Naturbasis ist, ohne irgendwelche Chemikalien?«
    »Schätzchen«, sagt sie. »Ich hab dir doch den Ausdruck aus dem Internet gegeben.«
    »Ich musste lernen.«
    »Ja, alles über Meredith vielleicht.«
    Ich lache mit ihr, und ich kann es mir leisten. Dies ist das Paradies, das mich heilen wird, und alles nur wegen Moms Beharrlichkeit.
    »Wenn wir nach Hause kommen«, sagt Mom, »liegt das Blatt wahrscheinlich noch genau da auf dem Tisch, wo du’s hingelegt hast.«
    Sieben Tage nacheinander kommt unser Fahrer und holt mich aus meinem Zimmer im Männertrakt ab. Wir tragen Badehosen aus Papier, die das Personal nach jeder Anwendung wegwirft, als wären wir ansteckend. Zuerst füttern sie uns mit grüner faseriger Pampe, die nach Salzwasser schmeckt. Sie füttern uns im wahrsten Sinne des Wortes, mit teflonbeschichteten Löffeln, wie Babys, vielleicht um zu überprüfen, wie viel wir tatsächlich runterschlucken. Ich glaube, es ist Seetang. Es schmeckt wie Spargel mit zu viel Salz und ohne Butter. Um uns meditativ zu stimmen, schicken sie Flötenmusik aus den Anden über Lautsprecher, wie von diesen fahrenden Musikgruppen beim Jahrmarkt in Essex County. Die grüne Pampe spülen wir mit etwas runter, das nach Benzin riecht. Es macht mich schwindlig und schläfrig, aber während der Anwendungen dürfen wir nicht schlafen. Wenn du anfängst einzunicken, rütteln sie dich wieder wach.
    Als ich Mom beim Abendessen die Prozedur beschreibe – die Unterwassermassagen und die drei Schüsseln mit Pampe –, tätschelt sie meine Hand und lächelt. Sie wird jeden Tag brauner, und die Ringe unter ihren Augen sind verschwunden. Sie erzählt mir, dass sie mit Mr McIntyre Karten spielt. Und manchmal mit der Mutter einer jungen Frau in den Sanddünen spazieren geht. Die Tochter hat Leberkrebs und nimmt überall ihren Sauerstofftank mit hin.
    Obwohl der Behandlungsraum fünf Betten und fünf Badewannen hat, werden dort nur ich und ein sehr alter Mann versorgt, Gerald Hovenfelt, dessen Bauch wie ein Basketball aufgebläht ist. Wenn die Betreuer weg sind, unterhalten wir uns ein bisschen. Mr Hovenfelt hat einen Tumor im Magen, und in den zehn Behandlungstagen wird sein Bauch so klein, dass er immerzu grinsen muss. Jeden Tag fragt er mich, ob ich mich schon besser fühle. Ich bin so müde, dass ich gar nicht darüber nachdenken kann, sage aber Ja, weil ich weiß, dass er das hören will.
    Mom stellt gar keine Fragen. Sie sagt aber, dass sie von Direktor Jenkins’ Büro aus mit Dad telefoniert hat und dass es Nick und Joe gut geht. Sie werden uns zusammen vom Flughafen abholen. Ich will darum bitten, dass Meredith ebenfalls kommt, hab aber Angst, dass auch die Polizei bei unserer Heimkehr anwesend sein wird.
    »Wir fliegen am Freitag zurück, oder?«, frage ich in der zweiten Woche.
    »Wann immer Direktor Jenkins es sagt.«
    »Wie will er das entscheiden?«, frage ich. »Er kommt nie, um uns zu untersuchen.«
    »Die Schwestern werden ihm wohl berichten.«
    »Mom, bist du sicher, dass das geschultes Personal ist? Meine beiden Pflegertypen haben zigtausend Tätowierungen, und sie lästern über Direktor Henkins, als wäre er ’ne Witzfigur. Sie ahmen seine Stimme nach und schneiden Grimassen, wenn sie uns füttern. Und denken, wir sehen es nicht.«
    Sie denkt darüber nach. »Wenn du dir angesehen hättest, was ich dir ausgedruckt habe, hättest du die Berichte der Leute gelesen, die hier waren. Ihre Tumore sind weg. Sie leben ganz normal weiter. Spielen Golf, gehen tanzen, gehen zur Arbeit.«
    »Ja, klar«, sage ich. »Die können ja auch nicht drucken, was die Toten gesagt hätten.«
    »Daniel.«
    Nach dem Abendessen dürfen wir im Hauptgebäude bleiben und Filme sehen oder was spielen. Mr McIntyre und Bethany, seine Tochter, die immer noch so dürr ist, gehen normalerweise immer gleich weg. Aber am vierten Abend, als sie den Film
Frühstück bei Tiffany
ankündigen, bittet sie ihren Vater, dass sie bleiben darf.
    »Ich kann sie danach auf ihr Zimmer bringen, Spike«, bietet Mom an.
    »Bitte, Daddy.« Ihre Stimme ist nur ein Hauch.
    Er nickt stumm, und ich

Weitere Kostenlose Bücher