Fahr zur Hölle
Dünndarmschleimhaut gefunden.«
»Soll heißen, dass wir es mit einer natürlichen Todesursache zu tun haben?«
»Soll heißen, dass seine Lungen voller Flüssigkeit waren und irgendwas sein Gefäßsystem angegriffen hatte. Aber so einfach ist das nicht. Er hatte außerdem einen Schlag linksseitig am Kopf abbekommen, was zu Einblutungen im Schläfenlappen führte.«
»Der Mann ist entweder gefallen oder wurde geschlagen.«
»Falls die toxikologische Untersuchung negativ ist, bleibt die Todesursache unklar.« Bei der Todesursache unterscheiden wir fünf Arten: natürlich, Mord, Selbstmord, Unfall oder unklar.
»Wie landete der Kerl dann in einem Fass voller Asphalt?«
»In meinem Bericht werde ich von verdächtigen Umständen sprechen.«
»Was ist mit der Identifikation?«
»Nichts. Obwohl Sie es für unwahrscheinlich halten, dass das postmortale Intervall passt, werde ich die Raines-Spur weiterverfolgen. Nach Angaben seiner Frau war seine letzte Zahnuntersuchung 2007. Der Zahnarzt starb 2009, und kein Mensch weiß, was mit seinen Unterlagen passiert ist.«
»Irgendein Treffer bei den Fingerabdrücken?«
»Nein. Der Typ von der Deponie ist nicht im System.«
Ich erzählte Larabee von meinen Gesprächen mit Wayne Gamble und Skinny Slidell. »Ich vermute, unser Unbekannter könnte Cale Lovette sein.« Ich glaubte es allerdings nicht wirklich.
»Ihre Altersschätzung scheint ziemlich solide zu sein. Zumindest vom Zahnstatus her wirkte der Kerl von der Deponie älter als vierundzwanzig. Wie wär’s, wenn Sie sich Lovettes biologisches Profil besorgen, vielleicht ein Foto, und das alles mit den skelettalen Charakteristika unseres Unbekannten abgleichen, um den Kreis etwas einzuengen?«
»Heute?«
»Galimore hatte heute Morgen zweimal angerufen. Die Leute von der Rennstrecke wollen unbedingt eine schnelle Lösung dieses Problems.«
Ich schaute zu Birdie hinüber. Der Kater schaute vorwurfsvoll zurück. Glaubte ich zumindest.
»Arbeitet Joe heute Nachmittag?«
»Ja.«
»Ich bin gleich da.« Ich verkniff mir einen theatralischen Seufzer.
»Sie sind ein Held.«
Ich schaute auf die Liste meiner eingegangenen Gespräche, blätterte nach unten und drückte Wählen. Ich war schon so lange am Telefon, dass der Hörer dieselbe Temperatur hatte wie meine Leber.
Wayne Gamble meldete sich nach dem zweiten Läuten. Die Hintergrundgeräusche sagten mir, dass er noch immer an der Rennstrecke war.
»Können Sie Cale Lovette beschreiben?«, fragte ich.
»Mistkerl.«
»Sein Aussehen.«
»Braune Haare, braune Augen, drahtig, vielleicht achtzig Kilo schwer.«
»Wie groß?«
»Eins fünfundsechzig oder achtundsechzig. Warum? Was ist los?«
»Nichts. Ich brauche nur seine Beschreibungsmerkmale.«
»Ich habe die kleine Schlange gesehen, die mich verfolgt. Erst am Autotransporter, dann vor Sandys Trailer. Immer wenn ich ihn bemerke, verschwindet er in der Menge.«
»Mr Gamble, ich – «
»Beim nächsten Mal quetsche ich ihm die Eier, bis er mir sagt, was da eigentlich los ist.«
»Vielen Dank für die Information.«
Während der Fahrt zum MCME dachte ich über Larabees Motivationsfloskeln nach. War »Held« eine Beförderung für eine »Allerbeste« oder nicht?
Als ich ankam, hatte Larabee ein Foto auf den Schreibtisch gelegt. Am unteren Rand stand der Name Ted Raines.
Raines war nicht gerade ein Hingucker. Das fliehende Kinn und die vorstehende Nase ließen mich an einen Tümmler denken.
Hawkins hatte den Unbekannten bereits in den Stinker gerollt und die Stryker-Säge eingesteckt. Mit seiner Hilfe entfernte ich die Schlüsselbeine und die Schambeinfuge, die kleinen Vorsprünge des Beckens, die sich vorn in der Mitte des Unterbauchs treffen.
Während Joe das Fleisch von den entnommenen Knochen entfernte, zog ich die Schädelschwarte zurück, um mir die Oberfläche des Schädels anzusehen.
Der Schädel eines Erwachsenen besteht aus zweiundzwanzig Knochen, getrennt durch vierundzwanzig Nähte, die als eng gefaltete Schlangenlinien erscheinen. Während des Erwachsenenlebens füllen sich diese Lücken und verschwinden. Obwohl die Entwicklung von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein kann, liefert der Verschmelzungsgrad der Nähte eine ungefähre Alterseinschätzung.
Die Schlangenlinien unseres Unbekannten waren die eines Erwachsenen mittleren Alters.
Die Schambeinfuge verändert sich während des ganzen Erwachsenenlebens ebenfalls. Die unseres Unbekannten war glatt und hatte erhöhte Grate an den beiden
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