Fahr zur Hölle
jedes Jahr die Gebühren, ohne je Fragen zu stellen. Die tote Dame war nicht mehr unter der Adresse in Raleigh gemeldet, die in den Unterlagen angegeben war. Und natürlich auch sonst nirgendwo.«
»Wo war der Mustang?«
»Rostete in einem Lagerschuppen vor sich hin. Das zweite Auto gehörte einem Sammler aus Myrtle Beach. Dieselbe Geschichte. Der Assistent des Typen verlängerte jedes Jahr die Lizenz, ohne zu wissen, dass das Auto ohne Räder in einem Lagerhaus stand. Der Besitzer lebte in Singapur.«
»Seine Kontaktdaten waren also nutzlos.«
»Das dritte Auto gehörte einem pensionierten Army-Sergeant. Er hatte das Fahrzeug nach Texas überführt, aber das Nummernschild aus South Carolina behalten. Als Eddie anrief, war der Anschluss offensichtlich bereits abgeschaltet.«
»Das heißt, diese drei Besitzer waren für das System so gut wie unauffindbar.«
»Ja. Aber Gamble fand sie. Und alle drei sind Sackgassen.«
»Wie die anderen fünfzehn.«
»Sehr richtig.«
»Aber wie konnte ein so einzigartiges Fahrzeug unauffindbar bleiben?«
»Gute Frage.«
»Könnte es sein, dass Winge sich getäuscht hat?«
»Er machte sehr genaue Angaben.« Ich hörte Papier rascheln. »Am Speedway sagte er uns, es wäre ein fünfundsechziger Petty-blauer Mustang mit einem limonengrünen Abziehbild auf der Beifahrerseite der Windschutzscheibe gewesen.«
Ich spürte ein Kribbeln tief in meiner Hirnschale. Was?
Slidell wechselte das Thema. »Ihr Bauchgefühl in Bezug auf Owen Poteat war goldrichtig. Achtundneunzig steckte der Kerl bis zum Hals in Schulden. Er hatte seit drei Jahren keine Arbeit mehr, und der Sorgerechtsstreit mit seiner Alten hatte ihn eine Stange gekostet. Der arme Trottel nahm Kredite auf, verkaufte schließlich sogar sein Haus. Seine Kinder verlor er trotzdem. Fand nie mehr eine einträgliche Anstellung.«
»Aber irgendwie hatte er Sechsundzwanzigtausend übrig, die er in die Collegeausbildung seiner Kinder stecken konnte.«
»In der Lotterie gewonnen?«
»Wie wahrscheinlich ist das?«
Nachdem wir aufgelegt hatten, brachte ich noch einige Zeit an meinem Laptop zu. Und erfuhr einige beunruhigende Fakten.
Abrin ist ein gelblich-weißes Pulver, das als feinste Partikel in die Luft freigesetzt werden kann. Falls das im Freien passiert, kann es landwirtschaftliche Produkte kontaminieren.
Abrin kann zur Vergiftung von Nahrungsmitteln und Wasser benutzt werden.
Die tödliche Dosis von Abrin ist ungefähr fünfundsiebzig Mal kleiner als die tödliche Dosis von Rizin.
Ich besuchte noch eine andere Site. Fand dort eine Zahl. Stellte im Kopf ein paar Berechnungen an.
Verdammte Scheiße.
Abrin kann mit einer freigesetzten Menge von weniger als drei Mikrogramm töten.
Um sieben Uhr abends briet ich mir ein Flunderfilet und teilte es mit Birdie. Den Krautsalat ließ er aus, weil ihm die Mayonnaisesauce fehlte. Vielleicht mag er aber ganz einfach keine fertig gekauften Salate.
Dann arbeitete ich mich durch meinen E-Mail-Eingang.
Mehrere Mails betrafen Fälle, die ich bearbeitete. Ein Pathologe am LSJML brauchte eine Klarstellung in Bezug auf einen Bericht. Ein Charlotter Staatsanwalt wollte einen Termin vereinbaren. LaManche fragte an, wann ich wieder nach Montreal kommen würde.
Andere boten mir das Geschäft meines Lebens an. Eine Rolex für fünfzig Dollar. Zugriff auf ein unbeanspruchtes Vermögen auf einer afrikanischen Bank. Ein Gesichtswasser, das meine Haut strahlen lassen würde wie die eines Hollywoodstars.
Katy überlegte sich, ihren Job aufzugeben, um ein Jahr in Irland zu verbringen. Sie hatte ein Angebot. Barmädchen in einem Pub in Cork. Na klasse.
Ryan hatte eine untypisch lange Nachricht geschickt, in der er seine letzte Therapiesitzung mit Lily beschrieb. Er war bestürzt über die Menge an Wut, die seine Tochter in sich zu tragen schien. Auf ihn, weil er in ihrer Kindheit nicht da gewesen war. Auf Lutetia, weil sie ihm ihre Existenz verschwiegen hatte, und weil sie sie vor Kurzem verlassen hatte, um nach Nova Scotia zurückzukehren.
Er schrieb, er sei entmutigt und voller Heimweh und vermisse meine Gesellschaft. Der Tenor war so herzzerreißend, dass er mir ein Loch ins Brustbein bohrte.
Aber Ryans Mail war nicht so traurig wie die, die Harry mir geschickt hatte. Erst kürzlich hatten meine Schwester und ich eine schockierende Nachricht erhalten, die derjenigen, die Ryans Leben verändert hatte, nicht unähnlich war.
Harrys Sohn Kit hatte in dem Sommer, als er sechzehn und in einem
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