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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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schien. Das, was Lüder in diesem Land gesehen hatte, verlieh ihm auch wenig Zuversicht. Aber durfte man deshalb Mitleid oder gar Sympathie mit den Tätern haben, die schließlich auch keine Rücksicht auf das leibliche Wohl und die Psyche ihrer Geiseln genommen hatten, auch wenn Galaydh sich eine Spur Menschlichkeit bewahrt zu haben schien?
    Schließlich hatten er und seine Leute die Geiseln gegen den Anschlag der Söldner verteidigt. Aber wog es das auf? Es war eine schwierige Frage, die Lüder sicher noch lange beschäftigen würde. Es lag ihm auf der Zunge, dem Somalier zu danken. Aber es fiel ihm schwer, einem Kidnapper etwas zukommen zu lassen, das wie eine Absolution klingen würde.
    »Überdenken Sie Ihr Verhalten«, sagte Lüder zum Abschied. »Sie haben die Fähigkeit, Besseres zu bewirken. Tun Sie es. Denken Sie an Dinge wie Menschenwürde und die Achtung vor dem Leben, und vergessen Sie nicht, irgendwann wird Gott uns alle nach unserem Tun auf Erden befragen, gleich wie wir ihn nennen und in welcher Sprache wir ihn anreden. Machen Sie es gut. Und passen Sie auf sich auf.«
    Lüder wandte sich ab und kehrte zu Leutnant Vahrenholt zurück, der inzwischen den Abzug organisiert hatte. Zwei Marinesoldaten hatten den toten Bayani auf eine Trage gelegt. Die Besatzung war in der Mitte gruppiert, und Vahrenholts Männer bildeten um sie herum den Geleitschutz.
    »Einen Augenblick noch«, erklärte der Leutnant Lüder. »Zunächst wird der zweite Hubschrauber ein paarmal im Tiefflug über den Ort und den Strand kreisen und dabei Staub aufwirbeln. Wenn die Straßen hoffentlich leer sind, wollen wir mit dem MG ein paar Garben zur Abschreckung auf die Straße feuern. Wir versprechen uns davon, dass die Leute in den Häusern bleiben. So ein tief fliegender Hubschrauber macht Eindruck. So kommen wir hoffentlich unbeschadet zum Strand.«
    Er sprach etwas in sein Funkgerät, und der zweite Bordhubschrauber entfernte sich. Über die Mauer des Anwesens hinweg konnte Lüder verfolgen, wie er Pirouetten über den Ort flog. Dann erhielt Leutnant Vahrenholt eine Nachricht über Funk. Er hob beide Arme in Kopfhöhe, streckte die Finger in die Höhe und bewegte sie nach vorn. Umgehend setzte sich die Kolonne in Bewegung.
    Als sie durch das zerstörte Tor auf die staubige Straße traten, war nichts zu sehen. Der Ort wirkte wie ausgestorben. Trotzdem war die Anspannung bei den Soldaten fast greifbar. Konzentriert gingen sie langsam zwischen den weißen Häusern mit den grünen Dächern. Nur das laute »Flapp-flapp« der Hubschrauber war zu hören. Es war fast unwirklich. Wäre jetzt aus dem Off eine durchdringende Melodie von Ennio Morricone erklungen, hätte Lüder sich in einen Western versetzt gefühlt, in dem die Helden mit Hochspannung über die staubige Hauptstraße gehen, jederzeit bereit, auf einen Hinterhalt zu reagieren. »Spiel mir das Lied vom Tod«, fiel ihm ein, war eine der bedeutenden Kompositionen des Italieners. Lieber nicht, dachte Lüder grimmig.
    Plötzlich stockte einer der Soldaten, ging in die Knie und richtete sein Schnellfeuergewehr auf einen Mann, der mit einem Gewehr in der Hand kurz hinter einer Hausecke auftauchte, aber beim Anblick der Soldaten sofort wieder verschwand.
    Für Lüder wirkte es so, als wäre der Somalier nur zufällig dort erschienen. Er hatte das Gewehr am Schaft gepackt und trug es so, dass es nicht schussbereit war.
    Trotzdem reichte dieser Anblick, um die Anspannung noch weiter wachsen zu lassen. Die Mariensoldaten lugten um jede Hausecke, blickten in jeden Seitenweg. Dadurch kamen sie noch langsamer voran. Wenn jemand aus dem Hinterhalt das Feuer auf sie eröffnen würde, gäbe es mit Sicherheit Opfer.
    Endlich erreichten sie den Strand. Dort lagen zwei Speedboote der Deutschen Marine, von einer Handvoll Soldaten bewacht. Die Männer hatten ein Maschinengewehr aufgebaut und sicherten den Strand.
    Jetzt war es fast geschafft. Sie wateten durch das flache Wasser, die Soldaten halfen den Geiseln in die Boote. Schließlich folgten die Soldaten. Allen war die Erleichterung anzumerken, als sich die Speedboote mit aufheulendem Motor vom Strand entfernten, der Bug sich aufbäumte und sie von diesem Ort des Grauens hinaus auf den Indischen Ozean jagten. In einiger Entfernung war am Horizont die Silhouette eines Kriegsschiffs zu erkennen.
    »Das sind wir«, erklärte Leutnant Vahrenholt überflüssigerweise.
    Sie hatten sich bereits ein Stück auf See hinaus entfernt, als hinter ihnen

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