Faith (German Edition)
verband sie so sehr mit ihm. Sie konnte gar nicht anders, als an ihren Vater zu denken. Die alte Frau sah sie aus grünen Augen wissend an.
„Da bist du, Faith“, sagte sie, nachdem der letzte Ton verklungen war.
„Setz dich zu mir, ich habe lange auf dich gewartet.“
„Warum, und woher kennst du mich? Das ist Lisa.“ Faith zog Lisa neben sich auf die breite Sitzbank unter einem Fenster.
Die Alte nickte. „Sie ist deine Freundin, ich weiß.“
„Aber woher?“
„Frag nicht, ich werde dir eine Geschichte erzählen.“
Und die alte Frau begann.
„Vor langer Zeit gab es hier in der Anderswelt eine gewaltige Festung, den Sitz der Herrscher. Sie war bewohnt von großartigen Frauen und Männern, die miteinander in Frieden und Eintracht lebten. Aber dieser Friede zerbrach, als ein Zwillingspaar geboren wurde, das unterschiedlicher nicht sein konnte. Der Junge wuchs heran zu einem Dunkelalb, der nur in der Zerstörung von Schönheit sein Heil finden konnte. Er setzte mit aller Macht durch, was er wollte, und nahm in Kauf, dass auch die Natur dabei zu Schaden kam. Machthunger, Zerstörungswut und Besitzgier waren sein Antrieb. Die Zwillingsschwester besaß dieselbe Besitzgier. Nur ihre Gier war die nach Schönheit um jeden Preis. Um sie herum durfte es nur Schönes geben. Die Geschöpfe um sie herum, die Natur und Kostbarkeiten in jeder Form. Sie duldete keine Ausnahme und verbannte alles, was ihren Schönheitssinn störte. Du kannst dir vorstellen, dass zwei so unterschiedliche Geschöpfe nicht friedlich miteinander leben können. Nun, es gibt etwas, das nicht nur der Erhaltung von Macht und Magie dient, sondern auch von überirdischer Schönheit ist. Einige der Reifen wissen davon, aber keiner von ihnen würde dieses Wissen je preisgeben. Jetzt aber ist die Zeit gekommen, darüber zu sprechen. Dieses Kleinod war früher in der Festung verborgen. Immer wieder war davon die Rede. Niemand jedoch konnte es finden. Es war jedoch sicher, dass, wenn es sich der Falsche aneignen sollte, das Chaos ausbrechen würde.“
Die alte Frau hielt einen Moment inne.
„Du hast längst erraten, dass ich von Annabelle und Leathan spreche.“
Sie blickte zum Fenster. Lautlos war dort der Rabe gelandet, der auch bei ihrem ersten Besuch hier gesessen hatte. Die alte Frau wandte sich wieder an die Mädchen.
„An einem Tag, an dem Annabelle zu einem großen Fest geladen hatte, beschloss Leathan, diesen Gegenstand zu suchen, auch wenn er das gewaltige Gebäude Stein für Stein auseinandernehmen müsste. Leathan schwor sich, entweder das Zeichen der Macht zu finden oder es für immer verloren zu geben. Annabelle hatte die besten Musiker der Lichten Welt für ein nächtliches Konzert befohlen. Diese Künstler mussten Masken tragen, da sie nicht dem Schönheitsempfinden von Annabelle genügten. Und während dieses nächtlichen Konzertes, das den Höhepunkt des Festes bilden sollte, befahl Leathan seinen schwarzen Reitern, die Burg zu überfallen. Es gab Verletzte, viele Tote und die Festung brannte bis auf die Grundmauern nieder. Es war, als ob der Himmel blutete. Oh ja, damals gab es jemanden, der wachsam war. Das Gemetzel war furchtbar und außer Leathan ist keiner der Reiter entkommen. Diese Niederlage jedoch konnte er niemals hinnehmen. Von niemandem und ganz bestimmt nicht von einer Frau. Damals hat er geschworen, Magalie zu zwingen, sich ihm zu unterwerfen.“
„Magalie?“
„Ja, Faith, denn deine Mutter hat die Reiter gejagt und vielen der Burgbewohner das Leben gerettet, auch Annabelle.“
„Hat Leathan gefunden, was er suchte?“
„Das hat er. Ausgerechnet der Zerstörer der Schönheit hat die Gabe, diesen schönsten aller magischen Gegenstände zu erkennen.“
„Und du? Kannst du ihn erkennen?“
Die Reife überging Faiths Frage.
„Du, mein Kind, kannst es! Seine ganze Macht wird der Gegenstand allerdings erst entfalten, wenn er in den Händen einer Auserwählten liegt.“
All jenes hatte ihr die alte Frau in der Nacht erzählt. Faith fragte sich, ob sie finden konnte, was Leathan hütete.
„Wir werden hier rasten“, sagte Faith, „du musst müde sein.“
Seit Stunden waren sie unterwegs
„Ich brauche keine Rast.“
Die Stimme war nicht die eines Trolls. Faith fuhr herum und erschrak zutiefst.
„Du musst keine Angst haben.“ Die Hexe lachte sie an.
„Deine Mutter hat mich gebeten, dich zu führen. Der Troll schläft eine Weile. Wenn die Zeit gekommen ist, wacht er auf und wird wieder ganz der
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