Faith (German Edition)
unsichtbar machen“, erklärte er ihr stolz.
Er zog ein winzig kleines Medaillon aus der Tasche. „Ich schenke es dir.“
Kaum hatte Magalie das zauberhafte Schmuckstück berührt, klappte der zierliche Deckel auf.
Das Gesicht, das ihr entgegensah, war ihr eigenes und ihr dennoch fremd.
Die Frau auf dem Bildnis trug ein Amulett um den Hals, das ein Abbild dessen zu sein schien, das sie in der Hand hielt.
Es war, ebenso wie dieses, von atemberaubender Schönheit.
Edelsteine in zartesten Blautönen wanden sich um den Rand des Amuletts.
Geschliffen wie Sterne, glomm ihr Feuer geheimnisvoll auf einem Netz von geflochtenen Gold- und Platinfäden. Nachdenklich drehte sie Oskars „Geschenk“ in ihrer Hand. Gehörten diese beiden wunderschönen Stücke zusammen?
Auf der Rückseite des Medaillons in ihrer Hand fand sie einen dünnen gedrehten Stift. Den zierlichen Stängel einer Lilie aus purem Gold.
Ja, sie war sich ganz sicher. Das kleine Amulett musste irgendwann einmal eins mit dem Zwillingsstück auf dem Bildnis im Medaillon gewesen sein.
Die Frau mit der Harfe
„Ich habe meiner Enkeltochter nicht die ganze Wahrheit gesagt“, dachte die alte Frau und seufzte.
„Aber es steht geschrieben, dass die Prophezeiung ohne meine Hilfe erfüllt werden muss.
Jeder muss seinen Weg alleine erkennen und dann entscheiden, ob er ihn gehen will.“
Faith musste das Kleinod finden, ohne einen Hinweis von ihr.
Sie selbst hatte das Medaillon, dem ein machtvoller Zauber innewohnte, lange getragen. Nur wenige konnten dessen Schönheit wahrnehmen, geschweige denn, damit umgehen. Magie hat ihre eigenen Gesetze. Das Medaillon würde sich nur dann öffnen, wenn es in die richtigen Hände gelangte.
Bis zu seinem Tod hatte sie über Jahrhunderte hinweg mit Annabelles und Leathans Vater gemeinsam über die Anderswelt geherrscht, ihre Welt mit den verschiedenen Fürstentümern im Gleichgewicht gehalten.
Sie waren kein Paar gewesen, sie hatten sich nur die Verantwortung für die Anderswelt geteilt.
Nach seinem Tod hatte sie diese Verantwortung alleine getragen.
Eines Tages hätte sie dieses machtvolle Kleinod an seine Kinder weitergeben müssen. Das hatte ihr jedoch große Sorgen bereitet.
Auch der Herrscher selbst hatte befürchtet, dass die Macht in den Händen seiner Kinder zu einer mächtigen, zerstörerischen Waffe werden würde. Er war sich sicher, dass die Zwillinge die Anderswelt ins Verderben stürzen würden.
Annabelle und Leathan dachten nur an sich selbst.
In den Augen der Herrscherin war dieses egozentrische Zwillingspaar vollkommen ungeeignet, Verantwortung für andere zu tragen, ihre Welt zu erhalten oder zu schützen.
Sie hatte niemals offenbart, wie wichtig das Amulett für seine Trägerin oder seinen Träger war.
Annabelle besaß nicht die Gabe, die Schönheit des Medaillons überhaupt wahrzunehmen.
Aber Leathan hatte es nach dem Tod des Vaters frech von ihr gefordert.
Er hatte, anders als sie dachte, sehr wohl geahnt, wie wertvoll das Amulett für ihn werden könnte. Er hatte dessen Schönheit erkannt und sah sich schon als ihr Nachfolger.
Damals hatte sie das aus zwei Teilen bestehende Schmuckstück getrennt und in der alten Burg versteckt.
Leathan hatte einen Teil gefunden, jedoch nie verstanden, dass das, was er um den Hals trug, unvollständig und damit weniger wertvoll für ihn war, als es sein könnte.
Er erriet nie, dass seine Zwillingsschwester den Schlüssel dazu besaß.
Das kleine Amulett, geschlungen um den Hals der Jadefigur, hätte seinen Problemen ein Ende bereitet, vermutlich aber auch die gesamte Anderswelt ins Chaos gestürzt.
Nachdem Leathan den alten Sitz der Herrscher in Brand gesetzt hatte, war sie mit Annabelle gezogen und hatte sich ohne Reue in den Flügel der Reifen begeben. Dort hatte sie gewartet und darauf vertraut, dass der Tag der Entscheidung kommen würde.
(Maia war mit Leathan gegangen, sie hatte nie eingewilligt, mit dem Herrscher zusammenzuleben, obwohl er der Vater ihrer Kinder war.)
Die langen, sensiblen Finger der einstigen Herrscherin glitten sanft, fast zärtlich über die Saiten der Harfe, als sie ihre Gedanken auf ihre einzige Tochter richtete.
Magalie.
Sie war bei ihrem Vater, einem der Fürsten der Anderswelt, aufgewachsen und hatte nie erfahren, wer ihre Mutter war. Sie musste auf ihre Tochter verzichten, um sie vor Annabelle und Leathan zu schützen.
Die Herrscherin hatte Magalie dem einzigen Mann überlassen, den sie ein Leben lang geliebt
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