Faktor, Jan
Putzobjekt, auf das sich Frau
Slajsovä anschließend stürzte, war der Parkettfußboden - das in der Hierarchie
sich amtiefsten befindende Objektwesen unser Wohnung, auf dem sich die
sichtbare wie unsichtbare Quintessenz allen Drecks und aller Übel vermuten oder
festmachen ließ. Unsere Fußböden waren, weil man bei uns jegliche Art
Lackierung verabscheute, leider tatsächlich immer voller Flecke und anderer
sichtbarer Dreckzeugnisse. Jeder zum Boden gefallene Tropfen SAUBEREN(!)
Wassers - von Tee, Kaffee oder Wein ganz zu schweigen - hinterließ Spuren.
Sauberes Wasser helle, andere Substanzen eher dunkle Spuren, aber auch die
hellen Stellen verdüsterten sich mit der Zeit. Der Totaleinsatz von Frau
Slajsovä wurde irgendwann unvermeidlich.
Wenn am
Tag des »Gründlichmachens« ein Zimmer freigeräumt war, legte Frau Slajsovä los,
rückte mit mehreren Eimern Wasser, mit Kernseife, rauhborstigen Bürsten, vielen
häßlichen Lappen und einem Bausch Stahlwolle an. Familien, die eine solche
Radikalkur in ihren Wohnungen nicht regelmäßig durchführten, wurden von uns
allen verachtet. Frau Slajsovä bürstete das Parkett zuerst mit viel Schaum,
scheuerte und schrubbte dann einzelne Parkettabschnitte mit ihrer rohen Bürste
so gründlich, bis das harte Holz samt aller Dreckpartikel weich und nachgiebig
wurde. Der erste Eimer mit dem schlimmsten Dreckwasser roch am abscheulichsten,
darin wurde sicher nicht nur Kernseife aufgelöst. Den anderen, etwas saubereren
Drecklaugen mischte sie auf jeden Fall noch etwas zum Desinfizieren bei.
Gummihandschuhe verabscheute Frau Slajsovä auch beim Gründlichmachen. Beim
anschließenden Reiben mit der Stahlwolle kam natürlich etwas Holzsubstanz
abhanden - und das sollte auch so sein. Sie schabte die Oberfläche einfach
konsequent in einer Richtung so lange ab, bis sich vor ihren Knien eine
längliche Spur Schabholz ansammelte. Die nassen Holzkrümel wanderten dann
weiter mit ihr mit und wurden ab und zu zusammengefegt. Ihr Eingriff in die
Tiefen der Parkettoberfläche galt natürlich nicht nur den Flecken, dem
eingefressenen Staub und dem Schmierdreck, sondern einfach allen
mikroskopischen Lebewesen, die von uns in den oberen Holzschichten vermutet
wurden. Am Ende war der Fußboden sicher so gut wie keimfrei - kurzzeitig
jedenfalls. Nachdem die schabende Frau Slajsovä in der Nähe der Tür angekommen
war, ging es an der Fensterseite wieder los. Das noch etwas feuchte Parkett
wurde nach und nach gründlich gebohnert und die letzten noch lebenden Keime
grausam mit Wachs erstickt. Wenn ich von der Schule nach Hause kam, war
wenigstens ein Raum schon fertig - alles glänzte wie neu und roch
unbeschreiblich nach totaler Reinheit. In der Wohnung herrschte das reinste
Glücksgefühl. So etwas wie der Neuanfang unser aller Leben war angesagt, die
Vermehrung und Vervollkommnung alles Lebendigen - unsere, aber auch die der
unzähligen Keimstämme - konnte von vorn beginnen. In den fertig geputzten
Räumen wirkte alles wie verändert, obwohl die Möbelstücke wieder an der
gleichen Stelle standen, wo sie immer schon gestanden hatten. Natürlich
strahlten alle fertig geputzten Oberflächen und glänzten dank der frisch
aufgetragenen Politur, und natürlich strahlte auch Frau Slajsovä - sie war
stolz und überglücklich. Dieser himmlisch putzgeilen Ausnahmeerscheinung war am
frühen Nachmittag erstaunlicherweise noch gar keine Abschaffung anzusehen,
obwohl die Unermüdliche schon längst dabei war, das nächste, bereits
ausgeräumte Zimmer zu schrubben.
Weil Frau
Slajsovä alle großen Aufgaben liebte, blühte sie auch an den Tagen auf, an
denen GROSSE WÄSCHE dran war. Große Wäsche hieß bei uns in der Regel
Kochwäsche, weil alles, was nicht unbedingt geschont werden mußte, mit Vorliebe
gleich mitgekocht wurde. Die Kochwäsche wurde in der ganzen Familie eine Weile
gesammelt - so lange, bis der Berg für Frau Slajsovä groß genug war. Unsere
Großfamilie besaß, wie man sich denken kann, noch keine Waschmaschine. Am
Vorabend des großen Waschtageswurde der riesige Wäscheberg in eine Badewanne
geworfen und unter Wasser gesetzt - zum zwölfstündigen Einweichen. Am nächsten
Morgen begab sich die rauhhändige Slajsovä als erstes in die hinter den Kellern
liegende Waschküche, heizte den Kessel ein, rieb Kernseife, bereitete alles
Nötige vor. Schließlich schleppte sie in Eimern die schwer gewordene nasse
Wäsche nach unten. Dort verschwand diese Ladung im beinah kochenden Wasser,
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