Faktor, Jan
anderen
Vorhaben schwer zu integrieren. Er fotografierte ab und zu wie besessen, um die
anschließenden Arbeiten im umgeräumten Badezimmer bald wieder abzubrechen und
auf später zu verschieben. Er besaß außerdem drei erste Kapitel dreier
Romanprojekte. Später spielte er sich nur noch als Historiker auf und
versuchte, anhand von hussitischen und anderen Chroniken zu beweisen, daß die
Tschechen nicht nur im fünfzehnten Jahrhundert ein Volk von Kämpfern gewesen
waren, sondern es noch viel länger geblieben sind.
Letzten
Endes konnte er uns allen und der Umwelt aber nichts wirklich Abgeschlossenes
vorlegen und vor allem keine Erfolge vorweisen. Einiges konnte er allerdings
sehr gut: glückspendende Zigaretten in seinen braungelben Fingern hin und her
rollen und seine große Klappe in Gang halten.
Manchmal
waren bei ihm bekannte Filmregisseure zu Besuch, die mit seiner Frau, die
Dramaturgin war, beruflich zu tun hatten. Man verband auf diese Weise
Berufliches, Privates und Geheimdienstliches. Vaters Frau hatte mit diesen
Leuten nämlich DOPPELT zu tun, wie ich jetzt weiß. Sie arbeitete inoffiziell
als Agentin für Vaters Ministerium, allerdings für keine Auslandsabteilung,
sondern für eine, die die einheimische Kultur beäugen und behorchen sollte. Aus
Sicherheitsgründen sah man das natürlich gern, wenn sich auch der andere
Partner für die Firma einspannen ließ.
Die
erwähnten Besuche der Regisseure bedeuteten unmenschliche Qualen nicht nur für
sie als Künstler, sondern auch für mich, obwohl ich noch ein Kind war und zum
Glück kein Regisseur werden wollte. Mein Vater kam nach den ersten
Qualitätsschnäpsen, die er auch den Regisseuren aufgezwungen hatte, in Fahrt
und hatte es oft gar nicht nötig, einen Schönheitswettkampf auszurufen. Mit
Hilfe einiger boshafter Floskeln und mehrdeutiger Unterstellungen wurden diese
Kunstschaffenden in eine geistige Kipplage gebracht, durch fortgesetzte
Alkoholisierung geschwächt - und sie konnten Vaters Frontalattacken immer
weniger entgegensetzen. In ihren Augen sah man bald schon leichte Angst. Mein
Vater knöpfte sich vor allem die letzten Arbeiten dieser Filmleute vor und
begann, sie ironisch auseinanderzunehmen. Er kratzte gezielt an den wunden
Stellen ihrer Kreationen und trampelte punktgenau auf den Unstimmigkeiten, die
aus ästhetischen, sachlichen oder geschichtlichen Gründen am peinlichsten
waren. Zu einer dieser Attacken lieferte ich sogar persönlich scharfe Munition,
als ich vollkommen naiv zugab, einen dieser anti-kolonialistischen Filme nicht
verstanden zu haben. Mein Vater atmete tief ein und strahlte. Daß sein Sohn
vielleicht etwas denkschwerfällig-begriffsstutzig sein könnte, kam für ihn
nicht in Betracht.
- Dieser
Film soll auch etwas für die jungen Leute sein? Die Jugend kommt aus dem Kino
noch dümmer raus, als sie schon ist! Warum muß man eine so einfache Geschichte
so chaotisch erzählen, sag mal? Mein Vater war auf einigen Gebieten nicht
ungebildet, und psychologische Methoden bei der Menschenjagd - beim Aushorchen,
Austricksen oder Ausquetschen des Menschenmaterials - waren sowieso seine
Spezialität. Nachdem sich die Filmleute die Tiefe ihrer Kränkung hatten
anmerken lassen, hielt es mein Vater auch nicht für nötig, gnädiger zu sein. Er
erzählte besonders unglaubwürdige Szenen nach, überzeichnete sie und lachte
herzlich - und drängte die armen Würstchen von Regisseuren dazu, wenn nicht
herzlich, dann wenigstens genauso laut zu lachen wie er. Vaters absurde
Kommentare waren teilweise tatsächlich begnadet gut formuliert. Und so lachten
die landesweit bekannten Männer letzten Endes über ihre eigene Mittelmäßigkeit
und über die ihrer Mitstreiter. Oder sie grinsten wenigstens. Dabei schrumpften
sie auf ihren Stühlen sichtlich, wurden immer unkonzentrierter und bereiteten
sich innerlich auf den Absprung vor - wenn nicht sogar auf den Sprung aus dem
Fenster. Für die weitere Belebung dieses Krampfeinanders mußte wieder mein
gnadenloser Vater sorgen, er holte einfach zum nächsten Schlag aus.
Ich konnte
dabei wenigstens meine Studien treiben und über die Macht des Spottens
nachdenken; und darüber, wie leicht sich auch gestandene Männer in wehrlose
Geschöpfe verwandeln ließen. Das Pech dieser Leute war, daß sie ausgerechnet
dank ihrer Leistungen, die einiges an Vorlieben, Leidenschaften und Sichtweisen
verrieten, vor meinem Vater wie nackt dastanden. Mein Vater hatte dagegen
absolut nichts zu befürchten - seine
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