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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Mit Ihrer freundlichen Hilfe.«
    Er hört diese Ausdrücke aus sich hinausfließen: mit Ihrer freundlichen Hilfe. Wenn ich das so sagen darf. Zur Rettung Ihrer Majestät.
    »Sie wissen, das mit Norris und Weston ist herausgekommen«, sagt sie. »Dass sie Anne ihre Liebe erklärt haben. Und die beiden sind nicht die Einzigen.«
    »Sie halten das nicht für eine Form von Höflichkeit?«
    »Aus Höflichkeit schleichen die nicht in der Finsternis herum. Kommen und verschwinden mit Booten. Schlüpfen im Licht einer Fackel durch Tore. Bestechen die Wachleute. Seit zwei Jahren oder länger geht das so, Sie können nicht sagen, wen Sie gesehen haben, wo und wann. Da müssen Sie schon ziemlich gewitzt sein, wenn Sie einen von denen erwischen wollen.« Sie macht eine Pause, um sich seiner Aufmerksamkeit zu versichern. »Sagen wir, der Hof ist in Greenwich, Sie sehen einen bestimmten Gentleman, einen Kammerherrn des Königs, und gehen davon aus, sein Dienst ist beendet, Sie denken, er verabschiedet sich aufs Land, doch dann, während Sie gerade Ihren Pflichten der Königin gegenüber nachgehen, sehen Sie ihn um die Ecke laufen. Sie denken: Was machen Sie denn hier? Norris, sind Sie das? Wie oft habe ich gedacht, der eine oder andere von ihnen ist in Westminster, und dann entdecke ich ihn in Richmond. Oder er soll in Greenwich sein, dabei ist er in Hampton Court.«
    »Wenn sie ihre Aufgaben unter sich verteilen, macht das nichts.«
    »Aber das meine ich nicht. Es geht nicht um die Zeiten, Master Sekretär. Es geht um die Orte. Um den Platz der Königin auf der Empore, um ihr Vorzimmer, ihre Schwelle und manchmal die Treppe in den Garten oder ein kleines Tor, das aus Unachtsamkeit unverschlossen bleibt.« Sie beugt sich vor, und ihre Fingerspitzen streichen über seine Hand, die auf den Unterlagen ruht. »Ich meine das Kommen und Gehen bei Nacht. Und wenn jemand nachfragt, warum sie gerade hier oder dort sind, sagen sie, es geht um eine persönliche Botschaft des Königs und sie dürfen nicht verraten, für wen.«
    Er nickt. Kammerherren überbringen mündliche Botschaften, das gehört zu ihren Aufgaben. Sie bewegen sich zwischen König und Adel hin und her, manchmal auch zwischen dem König und den ausländischen Botschaftern und natürlich zwischen ihm und seiner Frau. Fragen dulden sie nicht, und sie können nicht zur Verantwortung gezogen werden.
    Lady Rochford lehnt sich zurück. Sagt leise: »Vor ihrer Heirat, da hat sie mit Henry auf die französische Weise geübt. Sie wissen, was ich meine.«
    »Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen. Waren Sie je selbst in Frankreich?«
    »Nein. Ich dachte, Sie.«
    »Als Soldat. Beim Militär wird die ars amatoria nicht gepflegt.«
    Sie überlegt. Ein harter Ton schleicht sich in ihre Stimme ein. »Sie wollen, dass ich aus Scham nicht sage, was ich sagen muss, aber ich bin kein unerfahrenes Mädchen und sehe keinen Grund, warum ich es nicht aussprechen sollte. Sie hat Henry veranlasst, seinen Samen nicht am vorgesehenen Ort unterzubringen, was er ihr heute vorwirft.«
    »Verpasste Gelegenheiten. Ich verstehe.« Verschwendeter Samen, verschwunden in einer Nische ihres Körpers oder ihrer Kehle. Während er sie auf die ehrliche englische Art hätte bedienen können.
    »Er nennt das ein schmutziges Verfahren. Doch bei Gott, Henry weiß nicht, wo der wirkliche Schmutz beginnt. Mein Mann George ist ständig bei Anne. Aber das habe ich Ihnen schon erzählt.«
    »Er ist ihr Bruder, das scheint mir nur natürlich.«
    »Natürlich? So nennen Sie das?«
    »Mylady, ich weiß, es würde Ihnen gefallen, wenn es ein Verbrechen wäre, ein liebender Bruder und gefühlloser Ehemann zu sein. Aber es gibt keine Vorschrift, die das besagen würde, und keinen Präzedenzfall zu Ihren Gunsten.« Er zögert. »Denken Sie nicht, dass ich ohne Mitgefühl für Sie bin.«
    Denn was kann eine Frau wie Jane Rochford tun, wenn die Umstände gegen sie sind? Eine gut versorgte Witwe kann eine Rolle in der Welt spielen. Die Frau eines Händlers kann mit Fleiß und Besonnenheit einen Teil der Geschäfte in die Hand nehmen und einen Sack Gold ansammeln. Eine Arbeiterfrau, die von ihrem Mann missbraucht wird, kann kräftige Freunde anheuern, die nachts vor ihrem Haus stehen und auf Töpfen trommeln, bis der unrasierte Grobian im Hemd herauskommt, um sie zu verjagen, worauf sie ihm das Hemd hochziehen und sich über sein Membrum lustig machen. Eine junge verheiratete Lady hat jedoch keine Möglichkeit, sich selbst zu helfen.

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