Falken: Roman (German Edition)
Sie hat nicht mehr Macht als ein Esel und kann nur auf einen Master hoffen, der ihr die Peitsche erspart. »Sie wissen«, sagt er, »dass Ihr Vater, Lord Morley, ein Gelehrter ist, den ich sehr achte. Haben Sie sich nie mit ihm beraten?«
»Wozu?« Hohn spricht aus ihrer Stimme. »Bei unserer Heirat sagte er, er tue sein Bestes für mich. Das ist es, was Väter sagen. Dabei hat er sich so viele Gedanken darüber gemacht, mich mit den Boleyns zu verbinden, als wäre es um den Verkauf eines Welpen gegangen. Es gab einen warmen Zwinger und einen Teller mit Fleischstücken, was sonst zählte noch? Sie fragen doch den Hund nicht, was er will.«
»Sie haben also nie darüber nachgedacht, ob Sie aus Ihrer Ehe befreit werden könnten?«
»Nein, Master Cromwell. Mein Vater hat das alles sorgfältig arrangiert. Genauso sorgfältig, wie Sie es von einem Ihrer Freunde erwarten würden. Kein vorausgehendes Versprechen, kein Vorvertrag, nicht der Schatten von dergleichen. Selbst Sie und Cranmer könnten uns mit vereinten Kräften keine Annullierung verschaffen. Am Hochzeitstag saßen wir mit unseren Freunden beim Essen, und George sagte zu mir: Ich tue das nur, weil es mein Vater so will. Das war eine gute Nachricht, da werden Sie mir zustimmen, für ein Mädchen von zwanzig Jahren, das sich in Hoffnung auf Liebe erging. Und ich forderte ihn heraus und zahlte es ihm mit gleicher Münze zurück. Ich sagte: Wenn mein Vater mich nicht gezwungen hätte, wäre ich weit weg von Ihnen, Sir. Als dann das Licht verblich und wir zu Bett gebracht wurden, streckte er die Hand aus, betatschte meine Brust und sagte: Von denen habe ich schon reichlich gesehen und viel bessere. Er sagte: Leg dich hin, öffne deinen Körper und lass uns unsere Pflicht tun und meinen Vater zum Großvater machen, und wenn wir einen Sohn bekommen, können wir getrennte Leben leben. Darauf sagte ich zu ihm: Also los, wenn du denkst, du bist dazu fähig. Gebe Gott, dass du mich heute schon schwängerst, dann kannst du dein Setzholz wegstecken, und ich muss es nie mehr sehen.« Ein kleines Lachen. »Aber ich bin unfruchtbar, wissen Sie. Oder ich muss es annehmen. Es könnte auch sein, dass der Samen meines Mannes schlecht oder schwach ist. Gott weiß, an was für zweifelhaften Orten er ihn verschwendet. Oh, er ist ein Prediger, dieser George, der heilige Matthäus sei sein Führer und der heilige Lukas beschütze ihn. Kein Mann ist gottesfürchtiger als er; das Einzige, was er an Gott auszusetzen hat, ist, dass er den Frauen zu wenig Öffnungen verpasst hat. Wenn er eine mit einer Möse unter der Achsel fände, würde er ›Lieber Himmel!‹ rufen, sie gut erreichbar unterbringen und jeden Tag besuchen, bis sich der Reiz des Neuen verlöre. Für George ist nichts verboten, wissen Sie. Er treibt es mit einer Terrierhündin, wenn sie mit dem Schwanz in seine Richtung wedelt und ›Wauwau‹ sagt.«
Ausnahmsweise einmal bleibt er stumm. Er weiß, er wird es nie wieder aus dem Kopf bekommen, dieses Bild von George in einem haarigen Handgemenge mit einem kleinen räudigen Hund.
Sie sagt: »Ich habe Angst, dass er mich mit einer Krankheit angesteckt hat und ich deshalb nie ein Kind empfangen habe. Ich glaube, dass mich etwas von innen zerstört. Vielleicht sterbe ich eines Tages daran.«
Sie hatte ihn einmal gebeten: Wenn ich plötzlich sterbe, lassen Sie meine Leiche aufschneiden, um hineinzusehen. In jenen Tagen hatte sie gedacht, Rochford könne sie vergiften. Jetzt ist sie sicher, dass er es getan hat. Er murmelt: Mylady, Sie haben einiges ertragen müssen. Er blickt auf. »Wir weichen vom Thema ab. Wenn George etwas über die Königin weiß, das der König erfahren sollte, kann ich ihn befragen, aber ich weiß nicht, ob er es bestätigen wird. Ich kann kaum den Bruder zwingen, gegen seine Schwester auszusagen.«
Sie sagt: »Ich spreche nicht davon, dass er etwas bezeugen soll. Ich spreche von der Zeit, die er in ihrem Gemach verbringt. Allein mit ihr. Bei verschlossener Tür.«
»Im Gespräch?«
»Ich habe an der Tür gelauscht und keine Stimmen gehört.«
»Vielleicht«, sagt er, »waren sie in schweigsamem Gebet vereint.«
»Ich habe gesehen, wie sie sich geküsst haben.«
»Ein Bruder darf seine Schwester küssen.«
»Das darf er nicht, nicht auf diese Weise.«
Er greift nach der Feder. »Lady Rochford, ich kann nicht schreiben: ›Er hat sie auf diese Weise geküsst.‹«
»Mit der Zunge in ihrem Mund. Und ihrer Zunge in seinem.«
»Wollen Sie, dass
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