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Falkengrund Nr. 32

Falkengrund Nr. 32

Titel: Falkengrund Nr. 32 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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von zwergenhaften Red Caps, die mit ihren roten Mützen bei Modeschauen auftauchten, heilloses Durcheinander anrichteten und eine Panik unter den Zuschauern entfachten.
    Als sie schweißgebadet erwachte, dachte sie an die rotgekleidete Frau auf Dunsteys Party. Sie war wie eine Abgesandte der Red Caps. Ihre Flucht war unter so merkwürdigen Umständen geglückt, dass man beinahe an übersinnliche Kräfte glauben konnte. Und diese Gestalten, die in der Nähe der Bäume gewartet hatte, kaum zu erkennen am Rande der Dämmerung?
    Sie hatten grüne, keine rote Kleidung getragen. Nevin hatte sie Elben genannt. Aber der Professor hatte die Red Caps auch zu den Elben gesteckt.
    Was ging hier vor? Wie passte das zusammen?
    Mama weigerte sich entschieden, an solche Wesen zu glauben. Aber sie ahnte, dass es hinter den Kulissen der Londoner Modewelt ein Geheimnis gab. Und es schien mit Menschen zu tun zu haben, die sich wie Elben gaben oder von anderen als Elben angesehen wurden.
    Den zweiten Teil der Nacht lag sie wach im Bett.
    Zum ersten Mal begann sie sich nach ihrem Zuhause zurückzusehnen.

6
    Zwei Nächte später – ihre Träume waren in der Zwischenzeit nicht angenehmer geworden – schreckte sie ein nächtliches Geräusch aus dem Schlaf. Der Ursprung war direkt über ihr, und es hörte sich an, als würde ein dünnes Stück Holz brechen, eine Latte vielleicht. Die fluoreszierenden Zeiger der Wanduhr wiesen auf Viertel nach drei.
    Mama versuchte sich zu erinnern, welcher Raum in Frage kam. Im ersten Stock gab es mehrere kleine Zimmer, die ihr Nevin am ersten Tag flüchtig gezeigt hatte, wie um seine Gastgeberpflichten zu erfüllen, die sie aber seither nicht mehr betreten hatte.
    Das Personal wohnte nicht im Haus. Wenn Nevin nicht höchstpersönlich da oben zugange war, mussten es Einbrecher sein. Von der Hand weisen ließ sich die Möglichkeit nicht. Hier gab es die eine oder andere Kostbarkeit zu stehlen. Wer diese Villa bewohnte, war kein Geheimnis, und dass Nevin MacNorras nach wie vor erkleckliche Summen aus seinen Kreationen zog, konnte man leicht in Erfahrung bringen. Eigentlich war die Besessenheit, mit der er sich an die Siebzehnjährige klammerte und nach neuen Inspirationen suchte, kaum nachzuvollziehen. Es war, als verlange es ihn nicht nach höheren Umsätzen, nicht einmal nach größerem Ruhm, sondern nach nichts Geringerem als dem Rückgewinn seiner Jugend.
    Hörte Nevin die Geräusche auch?
    Sein Schlafzimmer lag Wand an Wand mit dem Gästezimmer, und von beiden aus führten Türen in den Raum, in dem sie zu frühstücken pflegten. Mamas Mut reichte nicht aus, um alleine oben nach dem Rechten zu sehen, aber sie war nicht so ängstlich, dass sie nicht an seine Tür geklopft hätte.
    Sofort riss er sie von innen auf. „Ich habe es auch gehört“, sagte er und strich sich über das schüttere Haar. Es sah nicht aus, als ob er kurz zuvor noch geschlafen hätte. Sein karierter Pyjama wirkte sehr schottisch, und er hatte keine Falten. War er noch nicht im Bett gewesen? „Du bleibst hier unten.“
    „Keine Chance“, widersprach sie. „Alleine würde ich mich fürchten.“
    Insgeheim hatte sie angenommen, dass ein Mann wie er eine Waffe im Haus hatte, aber er griff nach einer schweren hölzernen Pfeffermühle und sah damit schrecklich harmlos aus.
    Die Geräusche setzten sich fort, während sie die Treppe nach oben stiegen. Moderates Klacken und Klopfen erklang – und plötzlich ein Knallen und Klirren, als hätte jemand eine große Flasche an der Wand zerschlagen. MacNorras schob Mama zurück und zog die Tür auf.
    Zunächst war nichts zu sehen. Das Zimmer lag im Dunkeln. Lediglich ein schwaches grünliches Glimmen schwebte an einigen Stellen in der Finsternis, und Mama musste annehmen, dass Licht aus einem anderen Raum durch irgendwelche Ritzen einfiel. Der Mann drehte den Lichtschalter, der mit einem Dimmer versehen war, wie überall in der Villa. Weich flutete eine warme, gelbliche Helligkeit in das Zimmer.
    Jemand hatte es durchsucht.
    Einige der Schubladen waren aus den Kommoden gezogen worden, aber nur ein paar Zentimeter weit. Schranktüren standen offen, wenige Gegenstände lagen verstreut auf dem Boden, Schachteln, Umschläge mit Papieren darin. Aber das Chaos hielt sich in Grenzen. Der Raum, von dem Mama vermutete, dass es sich um eine Art kleines Büro handelte, war nicht verwüstet, nur durchkämmt worden. Allerdings fanden sich auf dem Fußboden zwei Gegenstände, die für die lauten

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