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Falkengrund Nr. 32

Falkengrund Nr. 32

Titel: Falkengrund Nr. 32 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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ansehnlichen Matte auswuchs. Er trug seine Anzüge zwei Nummern zu groß und hatte die Angewohnheit, ein enervierendes „Mm-mm“ zu brummen, wenn ihm etwas nicht passte. Über ihn erzählte man sich, er habe keine Hobbys, doch wer schon einmal in dem penibel aufgeräumten Reihenhaus des ewigen Junggesellen zu Gast gewesen war, hatte gewiss die Puzzles bemerkt, die in jedem Raum an den Wänden hingen, keines unter 5000 Teile.
    Kostlek war eher der legere Typ, ziemlich ungepflegt und meistens übernächtigt, die nicht immer brennende Zigarette im Mundwinkel. Weil seine Vorliebe für Cointreau ihn dauerhaft den Führerschein gekostet hatte und er den Bus üblicherweise verpasste, kam er fast jeden Morgen in die Firma gejoggt. Er strapazierte das Konzept der Gleitzeit aufs Äußerste, und man nannte ihn wegen seiner unbeschwerten Lebensart den Franzosen , obwohl er eigentlich Deutscher mit polnischen Vorfahren war.
    Meyer, Freiling und Kostlek spazierten über den Rummel. Jetzt am späten Nachmittag war der Movie-Park Bottrop bestens besucht. Vor allem Familien mit Kindern schlenderten von einer Attraktion zur nächsten, genossen die um diese Jahreszeit seltenen Sonnenstrahlen und ließen sich von dem vielseitigen Angebot unterhalten. Auch die drei Kollegen hatten von Roller Coastern bis zu Wasserfahrten nichts ausgelassen. Am längsten hatten sie der Studio Tour gefrönt, sich durch die authentischen Filmkulissen treiben lassen, die sie aus Hollywood-Produktionen wie Stargate oder Robocop kannten.
    Kostlek hatte irgendwo inmitten der futuristischen Szenerie ein rothaariges Flittchen aufgetan, das sich bei ihm unterhakte, als kenne sie ihn seit Jahren. Knutschend bretterten sie zusammen auf der Holzachterbahn Bandit dahin und genossen sichtlich den Ruckeleffekt. Engumschlungen befuhren sie in kreiselnden Booten den Mystery River . Gerade, als Meyer und Freiling sich daran gewöhnt hatten, peinlich berührt zur Seite zu sehen, begannen sich die beiden Turteltauben aus heiterem Himmel zu streiten und trennten sich kurz darauf.
    „Die war einfach zu alt für mich“, erklärte Kostlek schulterzuckend. Die abwertende Bemerkung hielt ihn nicht davon ab, fasziniert auf ihren sich entfernenden Hintern zu blicken, der in einer engen, verwaschenen Jeans steckte.
    „Ich bin müde“, brummte Freiling.
    „Gehen wir was trinken“, schlug Meyer vor. „Gibt es hier irgendwo noch etwas anderes als Coca und Cola?“
    „Franziskaner Weißbier“, stellte Kostlek fest und zeigte auf ein Schild mit dem trinkenden Mönch.
    „Dann lieber ein Beck’s“, ließ sich Freiling vernehmen. Damit wünschte er sich nichts Unmögliches. Eine ganze Wagenladung Firmen statteten den Park mit ihren Erzeugnissen aus. Neben den Gastronomiemarken war hauptsächlich der Automobilhersteller Mazda vertreten, der den Besuchern mit Preisausschreiben vorgaukelte, sie hätten den neusten Sportwagen eigentlich beinahe quasi schon fast in der Tasche. Und falls das Los sie im Stich ließ, konnten sie den fahrbaren Untersatz in so winzigen Raten erwerben, dass nicht einmal der Steuerberater oder die eigene Ehefrau den haarfeinen Unterschied zwischen einem Gewinn und einem Kauf bemerken würde …
    „Seien wir doch ehrlich“, meinte Meyer, als sie in einer Gaststätte landeten, die einem Western-Saloon nachempfunden war. „Das ist nicht unsere Welt. Wir wären nie hergekommen, wenn man uns das nicht alles geschenkt hätte.“
    „Wer weiß?“, widersprach Kostlek. „Vielleicht wären wir in ein paar Jahren mit den Kids hier aufgetaucht.“
    Meyers ernste Miene wurde noch finsterer. „Wir haben keine Kinder, und wir werden bestimmt keine mehr in die Welt setzen.“
    „Stop! Da wäre ich nicht so sicher.“ Kostlek hob sein Weißbier, als wolle er auf ein freudiges Ereignis anstoßen. „Wenn nur eins von zehntausend Kondomen reißt, müsste ich rein statistisch schon … warte mal … Vater von zwei Komma sechs Gören sein.“
    „Gib mal nicht so an“, wies ihn Meyer zurecht.
    Sie hatten Freikarten für den Park erhalten, außerdem Zugtickets zweiter Klasse von Frankfurt nach Bottrop. Ein Geschenk von einem Geschäftskunden, an den sie sich offen gestanden nicht mehr erinnern konnten. Um 18.30 Uhr würden sie ihn treffen, drüben, am Mansion of Fear , einer brandneuen Attraktion, bei der es ausnahmsweise einmal nicht um Fliehkräfte und spritzendes Wasser ging. Das Mansion war ein kleines begehbares Spukhaus – mit Gänsehaut-Garantie, wie es hieß.

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