Falkengrund Nr. 34
Schule nicht gründen dürfen“, kam es dumpf hinter den Händen hervor. „Das Übernatürliche ist zu gefährlich für die jungen Leute, die wir mit dieser Institution anziehen.“
Werner spürte einen dicken Kloß im Hals. Was der Brite sagte, kam ihm wie eine Anklage vor. Nicht Darren hatte damals die Idee gehabt, Schloss Falkengrund zur Schule des Okkulten zu machen, sondern Werner. Gewissermaßen trug er allein die Verantwortung für Sanjays Tod. „Es tut mir leid“, würgte er hervor.
Sir Darren nahm die Hände vom Gesicht und richtete sich energisch auf. Seine Augen waren rot vom Weinen. „Es ist meine Schuld“, sagte er mit rauer Stimme.
Ein fünfstimmiges „Nein“ erhob sich. „Es ist einfach eskaliert“, meinte Werner. „Ich denke auch, wir sollten die jungen Leute endlich nach Hause schicken und alleine hier bleiben, wir Erwachsenen, um Lorenz von Adlerbrunn zu bewachen, bis an unser Ende.“
„Wohin nach Hause?“, warf Angelika ein. „Das hier ist unser Zuhause.“
„Sie hat recht“, stimmte Melanie zu. „Außerdem könnt ihr nicht ein Leben lang nur auf ein dämliches Gespenst aufpassen. Wenn wir aus diesem Tal draußen sind, werden sich wieder neue Aufgaben für uns auftun. Und wir werden sie angehen.“
„Neue Aufgaben“, äffte Harald sie nach. „Sollen wir vielleicht alle Freizeit-Detektive spielen wie Jaqueline, Dorothee und unser Chef-Bulle Schorsch?“
Sir Darren warf Werner einen fragenden Blick zu, aber dieser winkte nur ab. Er hatte keine Lust, all die Nebensächlichkeiten auszubreiten. Er hätte ohnehin keine Gelegenheit dazu gehabt, denn aus der Richtung, in der die Bibliothek lag, näherten sich plötzlich Schritte, harte, resolute Schritte, die auf den Dielen knallten.
„Das gemeine Volk mache Platz für die dunkle Gunkel“, wisperte Harald.
Sie war es tatsächlich. Und Sir Darren, der mit dem Rücken zu ihr saß und sich auf Haralds Kommentar hin umwandte, staunte nicht schlecht.
„Warten Sie, ich … ich kenne Sie“, stellte er fest.
„Darren Edgar!“, rief die Frau, die wie die eine strenge Lehrerin in einem Mädchenpensionat anmutete. Ein Rohrstock in der Hand hätte ihr ausgezeichnet gestanden.
„Das ist Traude Gunkel“, erklärte Werner. „Wir mussten sie während deiner Abwesenheit als … kurzfristigen Ersatz einstellen, um den Unterricht …“
„Traude Gunkel“, wiederholte der Brite. „Ich erinnere mich vage. Eine Spiritistin. Ich habe sie auf einer Konferenz getroffen und …“
„Vorsicht“, unterbrach Harald. „Sie ist nicht die herzige alte Dame, die sie zu sein vorgibt. Das, was Sie sehen, ist nur die reizende Verpackung. Darunter verbirgt sich die Seele eines ungeborenen Kindes, die sich selbst einen Golem geschaffen hat – unseren Kommilitonen Michael Löwe – und jetzt danach trachtet, seinen Körper zu übernehmen wie ein böser kommunistischer Außerirdischer einen einfach gestrickten Yankee-Farmer. Na, habe ich meine Hausaufgaben gut gemacht oder was? Ha!“
„Was hat er?“, erkundigte sich Sir Darren.
„Recht“, erwiderte Melanie. „Leider. Aber keine Sorge. Sie ist nicht gefährlich. Nehmen wir zumindest an.“
„Sie haben es ja gehört“, kläffte die Gunkel. „Man lässt mich frei herumlaufen, und glauben Sie mir, meine Dankbarkeit dafür kennt keine Grenzen.“
Sir Darren hob die Schultern und ließ sie mit einem Ächzen wieder fallen. „Ich glaube, ich werde einige Zeit brauchen, um zu verstehen, was während meiner Abwesenheit alles vorgefallen ist.“ Er befeuchtete die Lippen, als setze er zu einer größeren Rede an. „Eigentlich hatte ich ja erwartet, dass man mich mit Fragen bestürmen würde und begierig darauf wäre, die Geschichte eines Mannes zu erfahren, der mehr als 200 Jahre in die Vergangenheit gereist und auf dem beschwerlichen Weg wieder in die Gegenwart zurückgelangt ist. Aber hier scheint in ein paar Monaten Fantastischeres passiert zu sein als mir widerfahren ist. Meine Memoiren werden sich schlechter verkaufen als eure.“
„Bitte sei uns nicht böse!“, beschwor ihn Werner, der schon die Rückverwandlung zum indignierten, ständig eingeschnappten Sir Darren der Vergangenheit befürchtete. „Wir wollten dich nur schnell aufs Laufende bringen. Natürlich interessiert uns, wie es dir ergangen ist. Schieß los!“
„Nicht ohne ein edles Tröpfchen auf der Zunge“, erklärte der Brite. „Ich werde jetzt einen Versuch unternehmen und sehen, ob ich den Weg in den Keller noch
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