Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
Petrus legte sich ordentlich ins Zeug, als spürte er, dass mit Sadik nicht zu spaßen war.
»Es war kein schöner Anblick, ich weiß«, brach er dann das Schweigen. »Eine Bastonade ist nie ein schöner Anblick und mir wäre lieber gewesen, ich hätte es nicht tun müssen. Aber er ist billig davongekommen und das weißt du.«
Tobias nickte. »Aber auf die nackten Fußsohlen …«
»Eine empfindliche, aber nicht lebensgefährliche Strafe! Und es war nur ein Dutzend Schläge! Er wird eine Woche nicht laufen können, das ist alles. Wer weiß, ob er uns die Kehlen durchgeschnitten hätte oder nicht. Er hat jetzt allen Grund unsere Güte und Barmherzigkeit zu preisen, Tobias. Eine Woche Schmerzen statt zehn, fünfzehn Jahre Kerker oder Steinbruch! Dein Onkel hat gegen keinen die Hand erhoben, sondern nur seine Gedanken zu Papier gebracht und anderen zugänglich gemacht – und was droht ihm für eine harte Strafe? Nein, du hast keinen Grund, Mitleid mit diesem falschen Bruder Nepomuk zu haben! Fromme Worte bekehren keinen Schurken.«
»Nein, Mitleid habe ich auch nicht mit ihm. Es hat mir nur den Magen umgedreht«, sagte Tobias, der einsah, wie Recht Sadik hatte. Und nach einer Weile fragte er: »Ob er wohl wirklich auf Knien nach Bischofsheim rutscht?«
»Was bleibt ihm anderes übrig?«
»Na ja, er könnte schummeln, sich trotz deiner Warnung mitnehmen lassen und nur das letzte Stück in die Stadt auf Knien zurücklegen.«
»Das würde er nicht wagen. Nein, er wird seinen Bußgang ableisten, Tobias. Wer weiß, vielleicht bewirkt er bei ihm eine Offenbarung und er beschließt, demnächst ein wirklich gottgefälliges Leben zu führen. Eines aber ist sicher.«
»So? Was denn?«
»Er wird in Bischofsheim große Beachtung und Bewunderung finden – und dementsprechend gute Geschäfte tätigen. Die Trompete von Jericho, die sich selbst gegeißelt hat und auf Knien in die Stadt gerutscht ist«, sagte er sarkastisch. »Für derlei Spektakel haben die Menschen leider eine Menge übrig.«
Tobias musste unwillkürlich lachen. »Du hast Recht! Vielleicht bringt ihm die Bastonade so gesehen ein Vielfaches von dem ein, was er uns hätte abnehmen können. Wer weiß, ob du ihn damit nicht sogar zu einer Art Heiligen erhoben hast!«
Sadik machte ein verdutztes Gesicht. Die Trompete von Jericho bewundert wie ein frommer Asket? Das wäre eine groteske Umkehrung der Bastonade, die als Strafe gedacht gewesen war und nicht als Mittel um Bruder Nepomuks faulem Zauber noch mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Eine höchst ärgerliche Vorstellung.
Doch dann grinste auch er. »Möge Allah es so fügen, dass dieser Bußgang für ihn zu einem wahren Wendepunkt in seinem Leben wird. Es ist schon aus so manchem Saulus ein Paulus geworden. Die Trompete von Jericho ohne falsche Klänge – nicht das Schlechteste, was zwölf Schläge bewirken können!«
In der Falle
Noch vor dem Mittag verließen sie Bischofsheim auf dem Rücken von zwei Falben. Endlich Pferde! Im Vergleich zu den rassigen Vollblütern von Falkenhof schnitten sie zwar schlecht ab. Aber nach den langen Tagen zu Fuß hätten sie jeden Vierbeiner, der sie tragen konnte, mit Kusshand genommen. Sie hatten auch gar keinen so schlechten Kauf gemacht. Die Falben standen gut im Futter, und wenn sie auch keinem Sultan oder Astor das Wasser reichen konnten, so sahen sie zumindest nicht so aus, als würden sie so schnell ermüden wie Bruder Nepomuks Petrus. Zudem waren Zaumzeug, Sattel und Satteltaschen von ordentlicher Qualität und ihr Proviantsack war gefüllt. Was wollten sie mehr? Sie hatten den Kastenwagen von Nepomuk Mahn auf dem Hof des Mietstalls abgestellt und dem Besitzer von dem besonderen Bußgang der Trompete von Jericho erzählt.
»Er wird hier wohl noch vor Einbruch der Dunkelheit eintreffen. Richten Sie ihm doch bitte aus, wir wären schon mal vorgeritten um alles für den nächsten blutigen Bußgang vorzubereiten«, bat Sadik ihn.
»Heilige Mutter Gottes! Ein Büßer!«, rief der schnauzbärtige Stallbesitzer beeindruckt.
Als sie aus dem Hof ritten, wusste bereits der Sattler gegenüber vom Kommen des angeblich frommen Mannes. Tobias hätte jede Wette angenommen, dass ganz Bischofsheim am Abend Bruder Nepomuk erwarten würde. Er hoffte sehr, dass ihn Sadiks Bastonade tatsächlich geläutert und auf den rechten Weg gebracht hatte.
Was nun ihren eigenen Weg betraf, so hatten sie nach dem Studium der Karten beschlossen über Heidelberg nach Mannheim zu
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