Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
wohl auch seinen Spaß mit ihr gehabt«, berichtete Jana ohne jede Scheu. Das Leben auf der Landstraße hatte sie früh gelehrt, der Wirklichkeit ohne falsches Schamgefühl ins Auge zu sehen und die Dinge bei ihrem richtigen Namen zu nennen. »Nur hat Moustique wohl den Eindruck gehabt, dass er nicht der Einzige gewesen ist, mit dem sie sich verlustiert hat.«
Tobias räusperte sich. »Also eine Käufliche!«, sagte er in einem Tonfall, als verstünde er was davon. Dabei hatte er von diesen Dingen des Lebens so viel Ahnung wie ein Küken vom Eierlegen.
»Nein, sie ist die Tochter eines rechtschaffenen Mannes und geht einer einfachen, aber ehrbaren Arbeit nach«, widersprach sie ihm. »So ein Verhalten beschränkt sich eben nicht allein auf die käuflichen Frauen.«
Sadik schmunzelte verhalten. »Was haben denn die Karten zu diesem Thema an den Tag gebracht?«
Jana sah ihm fest ins Auge. »Wer von den Karten erwartet, dass sie ihm auf alle Fragen eine klare Antwort geben und ihm einen Blick in die Zukunft ermöglichen, der erwartet zu viel. Wenn ich die Tarot-Karten schlage, dann erhalte ich im besten Fall eine Ahnung von der möglichen Zukunft.«
»Eine mögliche Zukunft deshalb, weil man etwas dagegen tun kann, dass die Vorhersage eintrifft. Denn wenn man einen Hinweis bekommen hat, in welche Richtung das eigene Leben zu treiben droht, kann man sich ja darauf einstellen und notfalls gegensteuern«, warf Tobias erklärend ein.
Sadik enthielt sich dazu jeden Kommentars. Ob jemand das zweite Gesicht haben konnte oder nicht, war eine Frage, die er nicht zu beurteilen vermochte. Er wusste jedoch, dass Jana den Leuten, die sich von ihr die Karten legen ließen, nicht irgendwelche haarsträubenden Dinge vorschwindelte, sondern dass sie dann in einer Art Trance die fremdartigen Bilder des Tarots deutete.
»Da es Moustique nur um die einfache Frage ging, ob er sich an diese Frau binden soll oder nicht, habe ich nur ein Legebild mit sieben Karten gemacht«, fuhr Jana fort. »Die erste Karte, die ich aufschlug, war das umgekehrte Bild Vier der Kelche. Es deutete sofort auf Schwierigkeiten hin, auf eine Bedrohung des Gleichgewichtes. Ich war auf einiges gefasst, nicht jedoch darauf, dass mit der nächsten Karte Fünf der Kelche vor mir liegen würde. Diese Karte allein ist ein Hinweis auf eine große Enttäuschung. Da jedoch das Wasser auf der Karte aus den oberen vier Kelchen nach unten in den fünften fließt, hält die Karte auch Hoffnung für ein zukünftiges Glückserlebnis bereit. Um es kurz zu machen: Mit der letzten Karte deckte ich Fünf der Schwerter auf …«
»Hast du mir auf Falkenhof nicht mal gesagt, dass diese zu den am schwierigsten zu deutenden Karten im Tarot gehört?«, erinnerte sich Tobias.
Jana nickte mit ernstem Gesicht. »Richtig, weil diese Karte mit den zerbrochenen Schwertern das klassische Symbol der Niederlage ist. Es bedeutet das Scheitern von Hoffnungen, den Zusammenbruch, eine Niederlage ohne Sieger. Doch im Fall von Moustique stand die Karte auf dem Kopf- und das gibt der Karte eine andere Bedeutung, nämlich der Niederlage etwas Beschämendes, gleichzeitig aber wird dadurch angedeutet, dass das Schlimmste schon überstanden und die Wende zum Guten bereits eingetreten ist.«
»Lernen und Kraft schöpfen aus der Niederlage«, sinnierte Sadik mit leichtem Nicken.
»Ja, das ist damit gemeint«, bestätigte Jana. »Aber ihr wisst ja, dass die Bedeutung einer Karte davon abhängt, welche Karte vor ihr kam und welche ihr folgt. Es war schwer, Moustique einen konkreten Rat zu geben. Die Karten schienen mir so widersprüchlich. Nach langem Abwägen riet ich ihm, für das Kind zu sorgen, wenn es sich als seines herausstellen sollte, eine Heirat aus diesem Grund jedoch nicht ins Auge zu fassen, denn es war offensichtlich, dass er wohl seinen Spaß mit ihr gehabt hatte, sie aber nicht liebte. Auf jeden Fall sollte er sich mit seiner endgültigen Entscheidung Zeit lassen und es sich gründlich überlegen. Das war vor drei Tagen, als er kurz davor stand, zu ihrem Vater zu gehen und das Aufgebot zu bestellen.«
»Und was geschah dann?«, fragte Tobias gespannt.
Jana legte beide Hände über ihre abgegriffenen Tarot-Karten und lächelte. »Nun, ich hörte und sah die nächsten Tage nicht die Spur von ihm und hatte ihn fast schon vergessen – bis er vor einer Stunde unendlich erleichtert ins Coq D’ore kam.«
»Das Kind war gar nicht von ihm, sondern von einem anderen Liebhaber!«, folgerte
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