Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
und er musste erst einmal schwer schlucken, bevor er die Frage herausbrachte: »Dieser Kerl hat es gewagt, dich zu belästigen und dir einen Heiratsantrag zu machen?« Seine Stimme schwang sich in die Höhen zorniger Empörung. »Für wen hält sich dieser Heringsheini? So eine Unverschämtheit! Wieso hast du denn Tambour oder Gaspard nicht gerufen, damit er dir diese … lästige Mücke vom Hals schafft?!«
Jana lächelte. »Aber das wollte ich doch gar nicht, Tobias. Ich war doch ganz froh, dass ich etwas für ihn tun konnte«, sagte sie und in ihren Augen stand ein Ausdruck höchster Belustigung.
Tobias bemerkte es in seiner Gefühlsaufwallung nicht. »Und ich … ich habe gedacht …« Er brach ab.
Ihre Augenbrauen hoben sich, und ihre Stimme hatte einen leicht spöttischen Klang, als sie fragte: »Ja, was hast du denn gedacht?«
Sein Gesicht verschloss sich, während Sadik neben ihm einen schweren Seufzer von sich gab. »Ich habe gedacht, du und ich … also wir … wir würden ein besseres Verhältnis haben, als dass du so etwas nötig hättest!«, stieß er dann bitter hervor.
Jana sah ihn scheinbar völlig überrascht an. »Aber du hast mir nie gesagt, dass du es nicht magst, wenn ich anderen Leuten die Karten lege!«
Tobias war irritiert. »Was hat dieser Heiratsantrag jetzt mit deinem Kartenlegen zu tun?«
»Eine ganze Menge! Immerhin wollte Moustique doch wissen, ob er diese Claudette nun heiraten sollte oder nicht.«
»Er hat gar nicht dir einen Heiratsantrag gemacht, sondern dieser …?«
»So ist es. Wie kommst du denn bloß darauf, er könnte mir einen Antrag gemacht haben?« In ihren Augen blitzte es dabei vergnügt.
Tobias kam sich plötzlich wie der größte Trottel vor und wäre am liebsten im Boden versunken. Erst jetzt bemerkte er die handgemalten Tarot-Karten, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Der Seemann hatte sich von ihr nur die Karten legen lassen! Und er hatte sich wie ein Narr aufgeführt. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Flammende Röte überzog sein Gesicht, und er fragte sich, was an diesem Tag bloß in ihn gefahren war, dass er gleich zweimal hintereinander und in kürzester Zeit so in die Fettnäpfe trat. Wie peinlich ihm das war.
»Der übereifrige Schüler hat seine Augen schon auf die Sterne gerichtet, während er mit den Füßen noch fest im Schlamm steckt«, bemerkte Sadik nicht ohne Süffisanz, milderte diesen Rüffel jedoch, indem er keine neuerliche Pause verlegenen Schweigens aufkommen ließ, sondern sogleich fortfuhr und Jana fragte, auf welchem Schiff dieser Moustique denn fuhr.
»Auf einer Brigantine, die im Küstenhandel Häfen zwischen Calais und Bordeaux anläuft«, erklärte Jana und berührte Tobias unter dem Tisch sanft mit ihrer Schuhspitze, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie ihm nicht böse war. »Der Name des Schiffes ist Alouette.«
»Das bedeutet ›Lerche‹«, warf Sadik ein und witterte eine letzte Möglichkeit, vielleicht doch noch von Tinville aus über den Kanal zu kommen. »Ein Schiff, das so schnell segelt, wie eine Lerche fliegen kann, wäre genau das, was wir jetzt dringend gebrauchen könnten.«
Auch Tobias hörte mit wachsendem Interesse zu.
»Die Alouette lief am selben Tag hier im Hafen ein, an dem auch wir nach Tinville kamen«, berichtete Jana. »Als sie am nächsten Morgen schon wieder die Anker lichtete, um ihre Fahrt nach Cherbourg fortzusetzen, erhielt Moustique bis zur Rückkehr der Brigantine Landurlaub, weil er wegen dieser Claudette zu einer Entscheidung gelangen musste. Er kam schließlich zu mir und wollte von den Karten wissen, ob er sie nun heiraten sollte oder nicht. Er war sich sehr unschlüssig.«
»Woher hat er denn von dir und deinen Tarot-Karten gewusst?«, stellte Sadik die Frage, die auch Tobias auf der Zunge lag.
»Von Louis, dem Stalljungen. Aber fragt mich nicht, woher die beiden sich kennen, denn Moustique kommt nicht von hier, sondern aus Cherbourg. Das ist auch der Heimathafen der Alouette«, erklärte Jana. »Auf jeden Fall wollte er von den Karten wissen, ob Claudette auch die Wahrheit sagte.«
»Die Wahrheit? Worüber?«, entfuhr es Tobias verwundert.
Jana lachte trocken auf. »Na, ob das Kind auch wirklich von ihm ist!«
Tobias machte ein schockiertes Gesicht. »Er … er hat ihr ein Kind gemacht?«
»Das war ja gerade die Frage, die ihn beschäftigte. Er hat vor ein paar Monaten, als die Alouette mit einem Ruderschaden einmal länger im Hafen von Tinville lag, mit ihr angebändelt und
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