Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
achtern in der Offiziersmesse. »Was ist passiert?«, fragte er. »Ich meine, nach diesem hinterhältigen Überfall an Deck.«
»Sie sind im Dutzend über uns hergefallen. Leon hat sofort unsere Taschen durchwühlt und uns alles Geld abgenommen, das wir bei uns hatten …«
Tobias tastete nach seinem Brustbeutel, in dem er einen Gutteil ihres Geldes sowie Wattendorfs Brief verwahrt hatte. Er war weg. Das machte ihn wütend, obwohl der Verlust keine Katastrophe war. Leon hatte zwar eine erhebliche Summe erbeutet, die gut und gern der Jahresheuer seiner ganzen Mannschaft entsprach. Aber den Hauptteil der Goldmünzen, die Onkel Heller ihnen mitgegeben hatte, trugen Sadik und er unter ihrer Kleidung, versteckt in einem schmalen Leinengürtel. Das war Sadiks Idee gewesen, und er hatte zwei von diesen dünnen Stoffgürteln angefertigt, als sie mit Jana von einem Volksfest zum anderen gezogen waren. Manchmal hatte er diesen Gurt unter seiner Leibwäsche als lästig empfunden. Jetzt jedoch war er froh, dass er sich von Sadik zu dieser Sicherheitsvorkehrung hatte überreden lassen. Und dass Leon diesen schmalen Leibgurt nicht gefunden hatte, verriet ihm das vertraute Gewicht der Goldmünzen auf seiner Haut.
»Ja, den hat er dir vom Hals gerissen«, bestätigte Sadik. »Dann hat er seinen Männern den Befehl erteilt, uns wieder unter Deck zu bringen und hier einzuschließen.«
»Und was ist mit unseren anderen Sachen?«, wollte Tobias wissen.
»Sie haben sie hastig durchwühlt, aber bis auf die Muskete und Tambours Fresskorb haben sie nichts mitgenommen«, erklärte Jana. »Sie hatten es sehr eilig, wieder an Deck zu kommen. Ich hörte Leon nach ihnen brüllen.«
»Und mein Degen?«, fragte Tobias schnell.
Sie lächelte. »Das Bündel mit dem Degen und auch den Sack mit den Reisetagebüchern habe ich schnell unter die Bank geschoben. Sie sind ihnen nicht aufgefallen. Zu dumm, dass ich nicht auch noch an die Muskete gekommen bin. Aber die lag mit dem Korb gleich neben der Tür, und da habe ich es nicht mehr geschafft.«
»Du hast keinen Grund dir Vorwürfe zu machen. Du hast getan, was du konntest – und zwar gut«, sagte Sadik.
Tobias stimmte ihm zu. »Immerhin sind wir nun nicht ganz unbewaffnet.«
Sadik nickte. »Mein Messer haben sie, Allah sei gepriesen, ebenfalls übersehen. Aber das verbessert unsere Situation nur unwesentlich.«
»Sollen sie nur kommen!«, stieß Tobias wütend und zum Kampf entschlossen hervor, während er sein Bündel unter der Sitzbank hervorzog und die lange Kordel löste, die um die Pferdedecke gewickelt war. Darunter kam sein Degen zum Vorschein, den er sich nun eiligst umgürtete. »Sie werden sich blutige Köpfe und noch einiges andere holen! Wenn dieser stinkende Schweinehund von Kapitän meint, er hätte leichtes Spiel mit uns und wir wären ihm wehrlos ausgeliefert, dann wird er die Überraschung seines Lebens erleben!«
»Mach dir doch nichts vor, Tobias! Wir sind ihm ausgeliefert«, widersprach Sadik ihm mit ernüchternder Härte. »Was können wir denn schon gegen solch eine Übermacht ausrichten? Ja, an Land, irgendwo im freien Gelände, sähe das natürlich anders aus. Aber hier auf der Alouette, eingesperrt in diesen Raum, kommen wir mit einem Degen und einem Messer nicht weit. Nicht mal an Deck! Für einen Messer- und Degenkampf ist es hier unten viel zu eng. Nicht aber für einen Schuss mit der Muskete. Also gib den unsinnigen Gedanken auf, wir könnten das Schiff kapern.«
»Aber irgendetwas müssen wir unternehmen!«, beharrte Tobias mit halb trotziger, halb verzweifelter Miene.
»Richtig«, stimmte Jana ihm bedrückt zu. »Die Frage ist nur, was wir denn noch tun können?«
»Wir müssen sehen, dass wir hier herauskommen!«, meinte Tobias, sich gegen die Erkenntnis zur Wehr setzend, dass sie in einer Falle saßen, aus der es scheinbar kein Entkommen gab. »Und dann …« Er ließ den Satz unbeendet, denn was dann geschehen sollte, wusste er natürlich nicht zu sagen. Wohin sollten sie von der Alouette auch fliehen? Ihnen bliebe doch nur die sturmgepeitschte See.
»Ich hätte gewarnt sein müssen«, haderte Sadik mit sich selbst, während er zur Tür ging und prüfte, ob er sie aufbrechen konnte. Aber so heruntergekommen die Brigantine auch war, ihr Erbauer hatte einst große Sorgfalt aufgewandt, und das Holz unter Deck zeigte noch keine Anzeichen von Morschheit, sondern widersetzte sich kraftvoll der stochernden Klinge seines Messers.
»Ach, wer hätte denn so
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