Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
nickte. »Mag sein. Aber es ist zweifellos unsere einzige Chance, dem Biss der Schlange zu entkommen, die uns schon so gut wie in ihrem Maul hat. Bleiben wir, ist unser Schicksal besiegelt. Können wir uns jedoch des Beibootes bemächtigen, können wir unser Leben vielleicht retten.« Er machte eine kurze Pause und fügte dann entschlossen hinzu: »Lieber soll mich der Löwe fressen, als dass mich die Hyäne auseinander reißt!«
Jana schluckte schwer. »Es macht mir Angst, aber wir haben tatsächlich keine andere Wahl. Ich … ich will nicht sterben, nicht ohne alles versucht zu haben.«
Tobias spürte, wie eine Gänsehaut seinen Körper überzog. Ihm wurde fast übel bei der Vorstellung, sich mit so einem winzigen Boot auf die See hinauswagen zu müssen. Doch auch er vermochte sich der Einsicht nicht zu verschließen, dass ihnen nur noch die Wahl zwischen dem sicheren Tod von Leons Hand und der Flucht mit dem Beiboot geblieben war. Unter diesen Umständen konnte einem die Entscheidung nicht mehr schwer fallen. Sie ergab sich quasi von selbst.
»Also gut, wagen wir es«, sagte er mit krächzender Stimme. »Es ist ja nur ein Katzensprung nach England, nicht wahr?« Er versuchte dabei zu grinsen. Doch was er zu Stande brachte, war eine Grimasse der Angst. Doch sie machte ihn nicht kopflos, auch wenn sein Herz jagte.
»Gut, wir sind uns also einig«, sagte Sadik rasch und konzentrierte sich auf die praktische Ausführung dieses lebensgefährlichen Vorhabens. »Wie kommen wir jetzt an das Boot?«
»Ihr müsst schnell sein«, sagte Moustique mit gepresster Stimme.
»Wer hätte das vermutet«, murmelte Jana sarkastisch.
»Kein Derwisch wird schneller sein als wir!«, versicherte Sadik, der wusste, zu welchen Leistungen der Mensch im Angesicht des drohenden Todes fähig war – sofern die Angst ihn nicht lahmte, was das andere Extrem war.
»Auf dem Achterdeck ist jetzt niemand, ausgenommen Antonie, der am Ruder steht. Aber er wird euch nicht aufhalten, denn ich weiß, dass ihm die Sache auch nicht recht gefallen hat, obwohl er später gewiss seinen Anteil einstreichen und den Mund halten wird. Bei so einem Wetter lässt er das Ruder zudem nicht aus der Hand, auch wenn wir das Schlimmste überstanden haben, so wie es aussieht. Von ihm habt ihr also nichts zu befürchten. Aber er wird natürlich laut schreien und die anderen alarmieren – unter anderem auch mich. Es bleibt euch also nicht viel Zeit, um zum Heck zu kommen und ins Boot zu springen.«
»Aber es dauert doch ganz schön lange, das Boot zu Wasser zu lassen«, wandte Tobias ein.
Moustique schüttelte den Kopf. »Das Boot zu Wasser lassen? Unmöglich. Die Zeit habt ihr nicht! Das würdet ihr niemals schaffen.«
»Und wie kriegen wir das Boot dann …«
Moustique fiel Jana ins Wort. »Ihr müsst die Haltetaue kappen! Ich werde euch dabei helfen und das Bugtau übernehmen, während ich so tue, als wollte ich eure Flucht verhindern. Das Tau am Heck muss einer von euch kappen – und zwar gleichzeitig mit mir, sonst kentert das Boot noch in der Luft und ihr nehmt Leon die dreckige Arbeit ab.«
Jana erschauderte.
»Das mit dem Hecktau übernehme ich!«, sagte Sadik mit einer Stimme, die jede Diskussion darüber ausschloss.
»Wenn ich schreie ›Verfluchter Heide!‹, ziehe ich das Messer durch!«
Sadik nickte. »Verstanden.«
»Ihr dürft jetzt aber keine Sekunde länger warten!«, drängte Moustique. »Leon kann jeden Augenblick mit Beignet und Debuse, das ist unser Erster, zurückkommen, und dann ist es zu spät.«
»Wir sind bereit!«, sagte Sadik und nahm seinen Kleidersack auf, der seine wenigen Habseligkeiten enthielt. Schnell stopfte er noch die nassen Sachen von Jana und Tobias hinein. »Wie gut, dass wir mit leichtem Gepäck reisen.«
Tobias klemmte sich das Paket mit den Reisetagebüchern unter den Arm, während Jana nach dem Bambuskäfig griff, in dem Unsinn hockte, offensichtlich todelend und mit einem herzerweichenden Ausdruck in den kleinen Augen, der Jana für einen Moment ihre Angst vergessen und sie wünschen ließ, sie könnte etwas für ihn tun.
»Fertig?«, fragte Sadik knapp.
Jana und Tobias nickten.
»Dann wollen wir unser Leben in Allahs Hand legen«, murmelte er, während Moustique schon die Tür zum Gang öffnete.
Als sie den Niedergang erreicht hatten, drehte sich Moustique noch einmal zu ihnen um. »Gebt mir eine Minute Vorsprung! Und nehmt dann den Weg an der Steuerbordseite entlang, am besten geduckt, dann bemerkt man
Weitere Kostenlose Bücher