Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
Ergebnis eines erstmaligen Umgangs mit Stricknadeln. Der einzige Hinweis darauf, dass dieser Mann wohl doch kein Hilfsgärtner war, bestand in dem goldgefassten Monokel, das er mit hochgeschobenem Wangenmuskel vor seinem rechten Auge eingeklemmt hielt. Durch die kleine Goldöse der Einfassung lief ein dünnes, geflochtenes Band, das er um den Hals »Scheich Sadik Talib! Welch reizender Einfall, sich vom Wüstenwind einmal nach Mulberry Hall wehen zu lassen. Sie treffen gerade noch rechtzeitig zum Abendessen ein. Ich habe Willard schon angewiesen, den Tisch heute für vier Personen zu decken. Es gibt Geflügel und frisches Gemüse, ganz wie Sie es lieben«, begrüßte Rupert Burlington ihn in einem beiläufigen Tonfall, als hätten sie sich erst noch vor wenigen Tagen bei irgendeinem anderen gesellschaftlichen Ereignis getroffen. Doch seine Augen strahlten vor sichtlicher Freude.
»Wer seinen Fuß vor die eigene Hütte setzt, lernt auch über die eigene Türschwelle hinaus zu denken. Und niemand ist so weise, als dass er nicht noch etwas dazulernen könnte, wenn er sein Zelt in fremden Oasen aufschlägt«, erwiderte Sadik mit einer äußeren Zurückhaltung, die ebenso groß war wie seine innere Wiedersehensfreude, und dann setzte er vergnügt und mit freundschaftlichem Spott hinzu: »Und diese Oase ist wirklich auch die längste Reise wert, Lord Burlington!«
Dieser lächelte. »Zu viel der Ehre, mein Bester! Entschieden zu viel der Ehre. Zudem gebührt sie nicht mir, sondern, wenn überhaupt, meinen Vorfahren, die ihren ganz eigenen Hang zur Gigantomanie pflegten.« Er wandte sich nun Jana zu und ergriff ihre Hand. »Prinzessin Jana von Alouette, nehme ich an? Es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen. Seien Sie auf Mulberry Hall herzlichst willkommen!«
Jana hatte nicht ein Wort verstanden. Sie lächelte unsicher, blickte hilfesuchend zu Tobias, der ja auf Grund seiner Begabung und Ausbildung Rupert Burlingtons Muttersprache genauso gut beherrschte wie die von Jean Roland und Sadik Talib, und fragte: »Was hat er gesagt? Ich habe ihn nicht verstanden.«
»Verzeihen Sie meine Gedankenlosigkeit«, sagte der Lord in einem fast akzentfreien Deutsch, bevor Tobias ihr antworten konnte, und wiederholte seinen Willkommensgruß noch einmal.
»Danke … Eure Lordschaft«, sagte Jana etwas verlegen. »Aber ich bin keine Prinzessin. Das hat Tobias nur schnell erfunden, als uns Borsten … als uns Mister Hegarty nicht glauben wollte, dass Sadik Sie kennt … und dass Sie ihn und Tobias bestimmt gern auf Mulberry Hall begrüßen würden.«
»Und Sie, Miss Jana«, versicherte er schmunzelnd und blickte Tobias an. »Schau an, das geht also auf Ihr Konto, junger Mann? Sie sind Ihrem Vater nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten, sondern scheinen auch über seine besondere Geistesgegenwart in kritischen Situationen zu verfügen. Kein Wunder, dass Ihr Vater so stolz auf Sie ist. Seien Sie mir von Herzen willkommen, Tobias.«
Das Lob ließ Tobias ein wenig erröten. »Danke, Eure Lordschaft«, sagte er und tauschte einen Händedruck mit ihm, der zu seiner Verwunderung sehr kräftig ausfiel. Aber dass Rupert Burlington kein Weichling war, wusste er schon von Sadiks Erzählungen.
»Ich schlage vor, wir lassen Seine Lordschaft wie auch die Prinzessin, die Exzellenz und den Scheich hier draußen zurück und nutzen die Zeit, die für solche Titel gemeinhin verschwendet wird, für sinnvollere Konversationen. Dein Vater und Sadik nennen mich Rupert, und ich denke, darauf sollten auch wir uns einigen«, bot er ihm freundlich an und nickte dabei auch Jana zu. »Es soll uns dabei nicht stören, dass ich es Sadik nicht habe abgewöhnen können, auch auf das Sihdi zu verzichten.«
»Sie sind sehr großzügig«, sagte Tobias und hätte ihn nun am liebsten sofort nach dem Gebetsteppich und dem dazugehörigen Rätsel gefragt. Doch er wollte nicht so unfein sein und gleich mit der Tür ins Haus fallen. Sadik hätte ihm eine solch grobe Verletzung der Gastfreundschaft sehr übel genommen. In diesen Dingen kannte sein beduinischer Freund keine Nachsicht. Deshalb beherrschte er seine Neugierde. Und nach allem, was hinter ihnen lag, kam es auf ein paar Minuten mehr oder weniger wirklich nicht mehr an.
Wie der Teppich wohl aussehen mochte? Und würden sie das dritte Wattendorfsche Gedichträtsel rasch lösen können?
»Großzügig?« Rupert Burlington schmunzelte. »Nein, nur gelegentlich sehr sonderbar und von eher exzentrischer
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