Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
guter Falkner.«
»Cal verschwand vor fast vierzehn Jahren«, erklärte Aranthia traurig. »Er hat nicht einmal mehr erfahren, dass er Vater wurde.«
»Das tut mir Leid. Aber jetzt tritt ja sein Sohn in seine Fußstapfen, wie ich höre. Schauen wir uns doch mal deinen Falken an«, sagte er und bedeutete Alduin den Korb auf den Steintisch zu stellen. Der Junge hob den Deckel ab und nahm den schlafenden Rihscha vorsichtig heraus. Er hielt ihn hoch, sodass Calborth ihn genau betrachten konnte. Die goldenen Sonnenstrahlen ließen das Gefieder des jungen Falken sanft erglühen und gaben einen ersten Eindruck von den kräftigen Farben, die der Vogel schon bald tragen würde. Bereits jetzt war deutlich zu erkennen, dass er ganz anders aussah als die Ithilfalken, die in Sanforan gezüchtet wurden.
Calborth schwieg lange, während er tief in Gedanken an einem seiner Bartzöpfe zupfte. Schließlich nickte er bedächtig. »Jetzt verstehe ich, was du meinst, Bardelph. Der hier wird eine Schönheit. Und sehr groß wird er auch. Nur zwei Siebentage alt? Aber natürlich, Marven sind eine gute Handspanne größer als Ithils. Und auch noch ein wilder Marven! So etwas hab ich noch nie gehört. Frage mich aber ...«
»Bereitet Euch das Schwierigkeiten?«, unterbrach Aranthia seinen Monolog. »Tut mir Leid. Ich weiß, das alles ist recht ungewöhnlich, aber mir scheint, dass Rihscha Alduin aus irgendeinem Grund zum Gefährten gewählt hat und ...«
»Ihr habt recht getan hierher zu kommen, gnädige Frau«, versicherte ihr Calborth. »Würde mich freuen Alduin und Rihscha zu helfen, wird aber schwierig werden. Bei den meisten Jungen kommt der Bund mit den Falken erst mit vierzehn oder fünfzehn zu Stande. Wie alt bist du, mein Junge?«
»Erst dreizehn«, gestand Alduin, der allmählich zu ahnen begann, welche Schwierigkeiten vor ihm liegen mochten.
»Die neuen Lehrlinge lernen schon mit elf Bogenschießen, Runenschrift und Runenlesen und wie man Pfeil und Bogen schnitzt. Später kommen noch Astronomie und Kräuterheilkunde hinzu. Alduin wird alle Fächer gleichzeitig lernen müssen. Es wird sehr anstrengend für ihn werden.«
»Macht mir nichts aus! Ich will ein echter Falkner werden. Ich werde ganz hart arbeiten, um der beste zu werden!«
Die drei Erwachsenen lächelten über seine Begeisterung. In diesem Augenblick erwachte Rihscha, riss den Schnabel weit auf und forderte lautstark sein Fressen.
»Bring ihn hier rüber«, befahl Calborth und winkte Alduin mit sich. Er öffnete einen gekühlten Schrank und nahm einen Tonkrug heraus, der mit einem dicken Klumpen Wachs verschlossen war.
»Das hier ist frisches Hühnerfleisch.«
Während Alduin seinen Falken fütterte, unterhielt sich Calborth mit Bardelph und Aranthia.
»Gut möglich, dass ein paar Jungen nicht sehr glücklich sein werden«, meinte er. »Alduin ist ein Mischling, und auch das ist ziemlich ungewöhnlich bei einem Falkner. Trotzdem glaube ich, dass es am besten ist, wenn er so bald wie möglich hier in die Falknerei zieht. Ich werde heute Mittag mit den anderen Lehrern und mit der Hausmutter sprechen. Am besten bringt ihr ihn mit seinem Gepäck heute Abend hierher.«
»So bald schon ...?« Aranthia konnte nicht verbergen, wie schwer Calborths Vorschlag sie getroffen hatte.
»Er muss viel nachholen. Muss eine Menge lernen.«
»Ja, ja, ich verstehe«, gab Aranthia nach. »Aber muss er auch hier wohnen? Es kommt alles so plötzlich.«
»Wenn er nicht im Schlafsaal bei den anderen Jungen übernachtet, wird ihn das nur noch mehr von ihnen trennen«, erklärte ihr Bardelph. »Wenn er von ihnen akzeptiert werden will, muss er genau so leben wie sie, das ist seine einzige Chance.«
Aranthia begriff das nur zu gut, aber trotzdem hätte sie gern noch ein paar Tage mit ihrem Sohn verbracht.
»Alle Siebentage einmal können die Jungen ihre Familien besuchen. Das ist schon in vier Tagen und dann habt Ihr ihn den ganzen Tag«, versicherte ihr Calborth. »Ihr werdet Euch besser fühlen, wenn Ihr seht, dass er sich gut eingelebt hat.«
Aranthia wusste natürlich, dass der Vorschlag des Falkenmeisters vernünftig war, auch wenn ihr das Herz schwer wurde. Als Alduin wieder zu den Erwachsenen stieß, setzte sie eine unbekümmerte Miene auf und sagte fröhlich: »Was meinst du dazu, Alduin: Du kannst schon heute Abend hier einziehen und sofort mit deiner Lehre anfangen! Und in einigen Tagen komme ich, dann haben wir ein paar Stunden für uns und du kannst mir alles
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