Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
behauptete, ein unfehlbares Heilmittel gegen Brandwunden zu kennen, alles nur noch schlimmer gemacht hatte.
Fast sofort drehte Luke sich wieder um, so dass die vernarbte Wange im Schatten lag. Ich versuchte, es zu verhindern, aber er sah den Anflug meines leidvollen Blicks und reckte trotzig und abweisend das Kinn vor. Ich wollte ihn in die Arme schließen, aber das taten Väter natürlich nicht. In der Tat brachte mich die Begegnung auf seltsame Weise durcheinander, und beinahe schien er der Vater zu sein. Er war ein kleiner Stonehouse. Seine Hakennase war eine perfekte Nachbildung der Nase seines Großvaters. Das Auge, das ich sehen konnte, hatte einen arroganten Glanz. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er Kittel getragen. Jetzt steckte er in Kniehosen, die auf modische Weise weit über die roten Seidenstrümpfe fielen. Wir standen da wie Fremde. Er starrte trotzig zu mir empor und raubte mir die Worte.
»Was … du bist ein Mann geworden, Luke«, brachte ich schließlich hervor.
»Das hoffe ich doch sehr, Sir. Mama will mir noch Kittel anziehen«, sagte er voller Abscheu.
»Nun, du bist ein wenig zu jung für Kniehosen …«, begann Anne.
»Ich sehe älter aus, als ich bin, sagt Tante Lucy!« Paradoxerweise steckte er den Kopf in den Rock seiner Mutter.
»Nun, kann schon sein«, murmelte Anne nachsichtig und liebkoste die vorwitzige Locke, die aus seinem dunklen, gewellten Haar hervorstand, in dem nicht ein Hauch von Rot zu erkennen war. Die ganze Zeit über blickte Jane ihn zärtlich an. Als ihm das Taschentuch aus dem Ärmel rutschte, hob sie es auf und stopfte es zurück. Ich stellte fest, dass Luke in einem Haushalt mit drei Frauen der Herr im Hause war.
Ich hustete und räusperte mich. Ich vermutete, das klang hinreichend wie ein Vater, denn Luke sprang auf, stieß seine Mutter fort, als hätte sie ihn umschlungen und nicht umgekehrt er sie.
»Bist du auf dem Land geritten, Sir?«, fragte ich.
»Ein wenig.« Er verzog das Gesicht. »Der Stalljunge hat mich beleidigt.«
»Beleidigt …« Ich verstummte, als ich sah, wie Anne sich hinter Lukes Rücken heftig an die Wange klopfte. Janes aufgeschreckte Miene und die geballten Fäuste warnten mich gleichermaßen.
»Aber ich bin ihn losgeworden«, sagte Luke.
»Ach, tatsächlich«, sagte ich schwach. »Bist du das.«
»Natürlich«, sagte er voller Genugtuung. »Er hat sich über seinen Stand erhoben.«
Von dieser Feststellung ermutigt und sich seines vernarbten Gesichts anscheinend weniger bewusst, kam er auf mich zu, um mich einer genaueren Musterung zu unterziehen. Sein erstaunter Blick wanderte von meinen ramponierten Stiefeln zu meinem fleckigen Wams und dem schmutzigen Hemd.
»Habt Ihr gekämpft, Sir?«
»Gekämpft?«
»Auf einem Schlachtfeld?«
»Nein, nein. Ich kämpfe auf dem Druckerfeld.«
Als er die Stirn runzelte, sah er mit einem Mal ziemlich alt aus, während er sich bemühte, mich zu verstehen. Er argwöhnte, ich wollte ihn auf den Arm nehmen. Ich konnte die Distanz zwischen uns nicht ertragen, also ging ich in die Hocke, streckte die Arme nach ihm aus und lächelte. »Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu bringen, Luke.«
Er wich zurück. »Nach Hause? Ich bin zu Hause!«
»Dies hier ist doch Lucys Haus, oder?«
Er sagte nichts, sondern warf einen Blick auf seine Mutter, die ihm ermutigend zulächelte.
»Ich habe ein Haus gegenüber dem von Großvater Black genommen, im Half Moon Court. Dort gefällt es dir doch, oder?«
Er wurde sehr still. Er steckte den Daumen in den Mund. Jane machte einen Schritt auf ihn zu, doch ein Blick von Anne hielt sie auf.
»Hat es einen Keller?« Luke brachte jedes Wort mit seltsamen Zuckungen heraus.
»Ja. Du kannst dich darin verstecken. Und es gibt eine Mansarde, wo ich dir die Geschichten von Schlachten erzählen …«
Er rannte zu seiner Mutter, um sich erneut in ihren Röcken zu verstecken, doch sie hielt ihn davon ab und versuchte ihn zu beruhigen, sagte ihm, er müsse zuhören, was ich zu sagen hätte. Dann rannte er zu Jane, und als sie dasselbe sagte, begann er sie zu schlagen, bis sie ihm die Hände festhielt.
»Hör auf damit!«, brüllte ich.
Ich nahm an, das war es, was er von einem Vater erwartete, denn er gehorchte auf der Stelle. Seine Stimme klang seltsam schrill, wie die eines Kindes in einem Chor. »Wollt Ihr mich damit bestrafen?«
»Dich bestrafen?«
»Für mein Gesicht?«
Im ersten Moment war ich zu erschüttert, um etwas zu sagen, und er rannte
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