Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
rieb mir die Wange. »Das will ich doch meinen.«
Bennet sah alles andere als brüderlich aus. Er zog Nehemiah zur Seite, und es folgte eine hektische, geflüsterte Unterhaltung, die damit endete, dass Nehemiah ihn anschnauzte, kein Tor zu sein und seine Waffe wegzustecken. Der Fährmann sagte, das sei ein übles Geschäft und er wolle nichts mit Wilderern zu tun haben.
»Wilderer?« Nehemiah wirkte erstaunt, als er auf die brutzelnde Ente deutete. »Das ist doch keine Wilderei, oder, Scoggy?«
Scogman sah verwirrt aus. Sein Mund war so wässrig, dass seine Worte nicht mehr als ein Nuscheln waren. »Wildern? So etwas gibt es ab heute doch nicht mehr, oder?«
Nehemiah lachte und schlug ihm auf die Schulter. »Guter alter Scoggy! Und Gott sagte: Es seien geflügelte Dingsdas … und Gott sah, dass es gut war …« Er hackte ein Stück Brustfleisch ab. Die verkohlte Haut war über dem dunklen Fleisch zusammengeschrumpft. Fettaugen glitzerten darauf, als er mir das Stück hinhielt. »Ab heute gehört alles allen, stimmt’s, Tom?«
Zwischen den Bissen murmelte ich, ich glaubte nicht, dass es genau so in der Vereinbarung stand, aber die geröstete Ente war zweifelsohne ein starkes Argument dafür. Nehemiah lachte noch lauter, als hinter dem Lagerfeuer das Geräusch von Pferden ertönte. Cromwell, Ireton und andere Granden ritten zum Abendessen ins Dorf. Ich fing Iretons Blick auf, als Nehemiah mir den Arm um die Schulter legte und erklärte, dass ich mit Worten umzugehen wisse.
»Du hast mir alles beigebracht, was ich weiß … Nun, nicht gerade alles …« Er war noch nie jemand gewesen, der seine Zuneigung offen zeigte, aber jetzt klang er ergriffen. »Wir hatten unsere Unstimmigkeiten, Tom, aber ich denke, wir stehen auf derselben S… s… seite, was?«
Ich umarmte ihn. »Und ob.«
Währenddessen hatte Bennet sich hingehockt und reinigte seine Muskete mit einem Tuch, obwohl er sie nicht benutzt hatte. Es war eine seltsame Waffe, mit einem röhrenförmigen Visier, einer vorstehenden Feder und verzierten Beschlägen, die er beflissen polierte.
»Steck das Ding weg, Bennet, steck’s weg!«, rief Nehemiah. »Heute sind wir alle Brüder.«
Ellie war am niedergebrannten Feuer eingeschlafen. Ich konnte nicht aufhören, über diesen folgenreichen Tag zu reden, selbst, als wir uns entkleideten, um in der bitteren Kälte nach oben ins Bett zu gehen.
»… und dann sagte Colonel Rainborough … der ärmste Mann in England habe ein Recht auf Leben …«
»Und was ist mit der ärmsten Frau?«, sagte sie.
Sie drehte sich um. Sie war vollkommen nackt, bis auf die vergoldete Halskette, die ich ihr gekauft hatte. Ich gab keine Antwort, sondern blies die Kerze aus, und anschließend liebte ich sie, bis sie vor Freude aufschrie, weil es nicht mehr weh tat, und ich sagte, brüderliche Liebe sei eine großartige Sache – aber nichts im Vergleich zu der Liebe zwischen einem Mann und einer Frau.
»Tom …«, flüsterte sie mit bebender Stimme. »Du hast gesagt, du liebst mich.«
Ich glaubte nicht, dass ich das wirklich gesagt hatte, aber ich küsste sie sanft und sagte nichts. Sie rollte sich zusammen, während ich noch in ihr war, und ich fiel in den tiefsten aller tiefen Schlummer – bis das Klopfen losging.
Es war Teil eines Traums. Zuerst war es das Hämmern der Soldaten auf den Bänken in der Kirche von Putney. Dann wurde es düsterer, unheilvoller, wie mein Hämmern an die Kellertür, hinter der ich als Kind eingesperrt war. Und am Ende war es wirklich. Das ganze Gebäude erbebte von den Schlägen. Ellie murmelte, es sei der Falke und klammerte sich entsetzt an mich.
Das Klopfen hörte auf, und eine Stimme rief: »Tom Stonehouse!« Ich vernahm eine weitere Stimme, die ich nicht erkannte, dann brüllte die erste Stimme: »Stonehouse oder Neave oder wer immer Ihr seid!«
Ellie entzündete eine Kerze, während ich hastig in Kniehosen und Hemd schlüpfte, meinen Dolch packte und die Stiege hinunterstolperte.
33. Kapitel
Das Klopfen setzte von neuem ein, als ich den Raum mit der Druckerpresse erreichte. Ich hörte, wie auf der Straße Fenster aufgerissen wurden. Menschen fluchten. Ein Hund bellte und hörte nicht wieder auf. Durch den Türspalt erkannte ich die Umrisse einer Mietkutsche. Der Kutscher, eine missmutig dreinblickende Gestalt in einem schweren Umhang, hob gerade ein weiteres Mal seine Faust.
Ich schob den Riegel zurück, ließ indes die Kette vorgelegt. »Wer da?«
»Ich suche einen
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