Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
wurde so aufgewühlt und ihr Fieber stieg derart, dass Dr. Latchford mich aus dem Zimmer schickte.
Ich saß draußen vor ihrer Kammer, damit ich wenigstens ihre Stimme hören konnte, ihre Schreie, und manchmal die Tür öffnen, um ihrem unruhigen Schlaf zu lauschen. Dr. Latchford hielt sie für toll und wollte einen Arzt aus Bedlam kommen lassen, aber ich weigerte mich. Mir leuchtete Annes Geisteszustand vollkommen ein. Es war meine Schuld, ich hätte sie niemals verlassen dürfen. Ich hatte mich selbst in ihrem Geist getötet. Sie war mein Leben, und ich konnte nicht ohne sie sein. Toll war nur ich gewesen, als ich sie für eine Welt aus hoffnungslosen Träumen verlassen hatte, und für Ellie.
Auf dem Höhepunkt dieses Leidens, als ich kaum wusste, ob ich wachte oder schlief, kam eines Tages Ireton. Wenn ich auch nur ansatzweise klar hätte denken können, hätte ich ihn nicht empfangen. Er und Cromwell hatten den letzten meiner Träume zerstört. Sie hatten einen Protestmarsch der Levellers verhindert, indem sie der Gruppe in einer Kirche eine Falle stellten. Drei Männer wurden an Ort und Stelle zum Tode verurteilt und erschossen. Cromwells Männer zerbrachen Joshuas Flöte. Die Levellers wurden zerschlagen, obgleich die Gruppe halbherzig im Untergrund weitermachte. Aber Jane hatte Ireton hereingelassen, und ich hatte kaum eine andere Wahl, als ihn zu empfangen. Halb rechnete ich damit, wie immer, seit ich mit Mr Black und Gloomy George den Fluss von Poplar heraufgekommen war, dass ich selbst zum Tode verurteilt werden würde.
Meine düsteren Gedanken hätten nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein können. Es war der König, der hingerichtet werden sollte.
Natürlich wusste ich vom Prozess gegen den König. Doch da ich das Haus niemals verließ, wusste ich nur wenig mehr, als dass er stattfand. Aber ich kümmerte mich auch nicht darum. Ich nahm irgendwie an, dass, zu welchen Ergebnissen das Gericht auch kommen würde, das Verfahren mit der Abdankung des Königs enden würde.
Wir trafen uns in Lucys Salon, mit ihrem glanzvollen van Dyck von Charles auf der einen Seite und dem recht abgestoßenen Porträt von Cromwell auf der anderen, gemalt vom Schüler eines Künstlers, dessen Namen Lucy ständig vergaß. Als ich eintrat, betrachtete Ireton diesen Gegensatz mit seinem blassen Lächeln, enthielt sich indes eines Kommentars. Er war übertrieben höflich. Ich hatte ihn noch nie so nervös erlebt.
Er sagte, der König habe sich geweigert, sich schuldig zu bekennen. Er habe über seine Richter gelacht. Er habe argumentiert, dass eine kleine Fraktion des Lower House – ich konnte fast Charles’ Verachtung in der Betonung des Wortes hören –, das vor acht Jahren gewählt worden war, nicht befugt sei, über ihn Gericht zu halten. Wie konnte das Volk über den König urteilen? Rex est Lex – der König ist das Gesetz. Warum, so fragte ich mich flüchtig, bewunderte ich den Mut und den Stil des Königs, obgleich ich seine Überzeugungen verurteilte? Und warum verabscheute ich Iretons Art, seine Ansichten zum Ausdruck zu bringen, obgleich diese weitgehend mit meinen übereinstimmten? Er klang wie ein Kleinstadtadvokat, der eine Schuld eintreibt.
Ireton hatte erwartet, dass der König das tun würde, was er selbst getan hätte: die Legitimation des Gerichts akzeptieren, um sein Leben zu retten. Der Prozess wäre vorangekommen, und Charles hätte abgedankt. Die Weigerung, sich schuldig zu bekennen, führte zu einer weiteren Pattsituation. Ich konnte Cromwells barsche, zornige Stimme beinahe hören, als Ireton mir vertraulich von seiner Reaktion erzählte. Würde es denn niemals enden? Der König würde keine Zugeständnisse machen. Man konnte ihm nicht vertrauen. Durch seine Niederlage im Krieg hatte Gott sein Urteil über ihn gesprochen. Ein drittes Mal würde Gott nicht so geduldig mit seinem Volk sein. Charles Stewart musste aufs Schafott.
Ich hatte keine Ahnung, warum Ireton mir das erzählte, warum er nun die Galerie abschritt und mir gelegentliche Blicke zuwarf oder warum er, der niemals um Worte verlegen war, eine ganze Weile gar nichts sagte. Erst als ich Jane nach mir rufen hörte und sagte, dass ich gehen müsse, verschränkte er nervös die Hände, räusperte sich und erklärte, dass er es begrüßen würde, wenn er meine Unterschrift bekäme.
Ich starrte ihn verwirrt an. »Meine … meine Unterschrift?«
»Unter dem Todesurteil für den König.«
Ich lachte ihm ins Gesicht. »Tom
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