Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
eine Form des Erbvertrags, durch den die Klasse der Landbesitzer ihre Ländereien sicher und ohne Verluste jeweils an den ältesten Sohn übergeben konnten. Mr Cole wusste über die meisten Dinge Bescheid, aber dies war ein Geheimnis, das nur Lord Stonehouse und sein Anwalt kannten.
Sie wurde immer heiserer. Ich konnte sie nicht zum Schweigen bringen, und ich wollte es auch nicht. Es war, als schneide man eine Eiterbeule auf. Wegen Liz hatte sie nicht viel geschlafen, und sie war nicht geschminkt. Falten, die mir vorher kaum aufgefallen waren, durchbrachen ihre schöne Haut. Ihr Haar hing leblos herunter. Sie war so mager, dass sie aussah, als würde sie gleich zerbrechen. Nur ihre blauen Augen blitzten voll grimmiger, brennender Tatkraft.
»Luke hat dieses Haus mit Möbeln ausgestattet. Als Lord Stonehouse glaubte, Liz würde ebenfalls ein Junge werden, ließ er die Ställe bauen. Die feinen Pferde kamen. Stuten.« Sie legte einen Teil ihres alten Spotts in das Wort. »Ich will nicht noch einmal ein Kind gebären müssen, aber ich werde so lange weitermachen, bis wir haben, was wir wollen. Das habe ich alles getan, und jetzt soll ich nicht einmal mitreden können?«
Ihre Stimme war nicht mehr als ein krächzendes, brüchiges Hauchen. Ich hielt sie fest, streichelte sie und spürte die Knochen unter der Haut.
»Was wollen wir? Darum geht es. Ich will dich, nur dich«, flüsterte ich.
»Wirklich?«
Ich küsste sie. »Nichts sonst zählt. Wir müssen kein anderes Kind haben. Noch nicht. Ich werde dich in Ruhe lassen.«
»Aber ich will – ich will dich neben mir haben.« Sie küsste mich leidenschaftlich.
»Ich werde vorsichtig sein.«
Sie schenkte mir ein halbes Lächeln. »Das bist du doch nie.« Sie streichelte die Narbe auf meiner Wange mit unerwarteter Zartheit. »Narbengesicht.«
»Klappergerüst.«
Sie verbarg den Kopf an meiner Brust, und wir hielten einander fest, bis ihr röchelnder Atem ruhiger wurde und ich spürte, wie unsere Herzen im Gleichklang schlugen. »Das alles hier brauchen wir nicht«, sagte ich und fegte mit einer Handbewegung das Haus beiseite.
Sie sagte – erneut voller Grimm –, dass sie es nicht ertragen könnte, es zu verlieren. Nicht jetzt. Es wäre, als zeige man einem Kind eine überwältigende Tafel und schnappe ihm dann das Essen vor der Nase weg. »Und du brauchst es auch. Um Abgeordneter zu werden. Um die Welt zu verändern.« Während das noch halb scherzhaft dahingesagt war, meinte sie ihre nächsten Worte vollkommen ernst. »Und du brauchst Lord Stonehouse.«
»Nein. Ich werde nicht vor ihm kriechen. Schon gar nicht nach dem, was er dir angetan hat.«
Verdrossen ballte sie die Fäuste. »Ich wusste, dass ich dir nichts hätte erzählen sollen.«
Ich löste ihre Finger und rieb sie zwischen meinen Händen. »Besser, wie erledigen die Dinge auf unsere Weise.« Ich dachte an Nehemiahs Worte. »Und sind niemandem verpflichtet.«
»Und wie soll das gehen?«
»Cromwell wird mir helfen.
»Bist du sicher?«
»Sicher?« Ich lachte. »Er ist der mächtigste Mann in Britannien.«
Ich sagte, ich müsse ins House, um ihn zu treffen, und suchte meine Papiere zusammen. Sie zögerte immer noch und starrte auf Richards Brief. »Du weißt, warum er dir geschrieben hat, nicht wahr?«
Ich lächelte über ihren Ausdruck absoluter Gewissheit. Manchmal hatte sie die Aura eines Sternendeuters, der die Zukunft vorhersagte. »Nein. Weißt du es?«
»Weil er über deinen Streit mit Lord Stonehouse Bescheid weiß.«
Da sich die Royalisten in Paris versammelt hatten, wo Königin Henrietta Hof hielt, wurden Briefe zensiert und aufgehalten, wenn sie überhaupt ankamen. »Unwahrscheinlich. Das ist erst vierzehn Tage her. Die Neuigkeit kann ihn kaum in Paris erreicht haben.«
»Sie könnte ihn hier erreicht haben.«
Ich lachte. »Er würde niemals hierherkommen. Das wäre zu gefährlich.« Im Gegensatz zu vielen anderen Royalisten hatte Richard sich nie ergeben. Er stand Königin Henrietta nahe, einer Katholikin, und Cromwell hatte Briefe abgefangen, die seine Verstrickung in die derzeitige Rebellion Irlands bewiesen. »Wenn man ihn hier fassen würde, käme er in den Tower. Nicht einmal Lord Stonehouse könnte ihn retten.«
Die Adresse des französischen Gesandten hatte mich an Paris denken lassen. Aber der Brief trug keine französischen Marken. Der Brief war weder datiert noch versiegelt. Das einzige Zeichen war ein Posthorn, wie es von jeder Londoner Schenke benutzt werden
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