Fall bloß nicht auf!
Stille.
»Gut«, sagt er. »Ich komme dorthin.«
Er legt auf.
Ich will mich schon abwenden. Wenn er jetzt nach unten guckt, sieht er meine Augen durch den Spalt schauen. Aber er guckt gar nicht. Er geht wieder zur Tür. Noch ein lautes Niesen, dann geht das Licht aus, Schritte treppab.
Ich höre nicht die Hintertür knarren, nur seine Schritte am Haus entlang und dann hinaus auf die StraÃe.
Und dann wieder Stille.
Ich springe aus dem Karton, rase die Treppe hinunter, gehe ins Schlafzimmer und gleich ans Fenster.
Da geht er die StraÃe hinunter, ohne sich umzuschauen, ohne auf die anderen Häuser zu achten. Er spricht wieder in sein Handy. Ich beobachte ihn die ganze Zeit über. Keine Spur von den anderen beiden Typen, keine anderen Leute. Deswegen mag ich ja diese StraÃe, weil sich hier kein Schwanz blicken lässt.
Aber jetzt fühle ich mich nicht mehr sicher hier.
Ich gleite an der Wand hinunter. Jetzt heiÃt es nachdenken, richtig nachdenken. Keine Frage, die suchen mich. Die glauben, ich hätte gesehen, wie sie Mary umgelegt haben. AuÃer â¦
Nein, das kann nicht sein. Damit kann es nichts zu tun haben. Bestimmt nicht â¦
Die Sache ist nämlich die, Bigeyes, davon habe ich dir noch nichts erzählt. Es gibt noch andere Leute, die mich suchen. Frag nicht warum. Glaub mir einfach, dass ich Feinde habe. Und nicht wegen Kinkerlitzchen. Das Ganze liegt weit zurück.
Das Schlimme ist, die Leute, die mir wirklich Angst machen, zeigen sich nie. Die schicken andere vor. Die könnten mir auch diese Typen auf den Hals gehetzt haben.
Der Kerl und seine beiden Kumpel könnten hinter mir her sein, weil sie glauben, ich hätte sie mit einem SchieÃeisen bei Mary gesehen. Oder sie sind von dem anderen Verein geschickt worden, und das wäre noch schlimmer. Das würde heiÃen, sie haben mich in der Stadt aufgespürt.
Das hätte ich ihnen nicht zugetraut. Keinem hätte ich das zugetraut. Ich dachte, ich könnte hierherkommen und mich tot stellen.
Drei Jahre lang ist es gut gegangen. Die ganze Zeit über bin ich unter ihrem Radar durchgeschlüpft. In der Stadt kennt mich keiner. Jedenfalls nicht richtig. Manche Leute meinen nur, mich zu kennen.
Trixi zum Beispiel glaubt mich zu kennen, weil sie mich vergangenes Jahr in ihrem Revier bei der Arbeit erwischt hat. Noch ein paar andere glauben mich zu kennen. SchlieÃlich muss man sich mit Leuten abgeben, selbst wenn man sich tot stellt. Man muss ja Essen kaufen und so.
Trotzdem, ich bin ein Gespenst. Ich penne, wo es mir passt, ich gehe dahin, wo es mir passt, und meinen Namen suche ich mir auch aus. Selbst die Bullen haben keine Spur von mir, seit ich in der Stadt bin. Ich hatte nicht einmal mit ihnen zu tun. Gut, ich bin von früher her in ihren Akten, aber seitdem haben sie mich nicht mehr gesehen. Und so soll es bleiben.
Ich bin noch ganz durch den Wind wegen Mary. Bilder, wie sie tot daliegt, verfolgen mich. Aber ich kann hier nicht weiter herumsitzen.
Rappel dich auf. Die Routine wartet: sauber machen, essen, trinken, schlafen. Kümmer dich um dich und bleib am Leben.
Genug gezittert. Steh auf, beweg dich. Raus aus dem Schlafzimmer, im Dunkeln bis ins Badezimmer. Was hab ich gesagt, Bigeyes? Auch hier sind Bücher. Frag mich nicht, was das für eine Pflanze ist. Keine Ahnung, ist mir auch egal.
Lass das Wasser laufen.
Das Wasser tut gut. Das Gesicht brennt immer noch wegen dem, was die Tussis mit mir gemacht haben, aber was sollâs. Das Wasser ist schön kühl. Ich würde schon gern duschen, aber ich bin zu müde und auÃerdem fühle ich mich nicht ganz sicher hier. Vorhin war das nicht so, aber diesen Kerl in einer meiner Hütten zu sehen, macht mich kribbelig.
Trockne dir das Gesicht ab, wisch alles mit Klopapier trocken, spül es dann runter. Keine Spuren hinterlassen. Alles muss aussehen, als wäre ich nie hier gewesen.
Ich zittere immer noch, Bigeyes. Komme einfach nicht zur Ruhe. Warum nicht?
Such dir ein Buch, das könnte dir guttun. Deswegen hört das Zittern vielleicht nicht auf, aber schaden wird es auf keinen Fall. Da ist eines, ein altes Lieblingsbuch.
Wind in den Weiden .
Das lese ich später. Jetzt erst mal was essen. Raus aus dem Badezimmer, nach unten. Achte auf die Wände, Bigeyes, ich habe es dir vorhin schon gesagt. Du darfst die Bilder nicht verrücken. Da hängt schon eines schief. Der Kerl muss vorhin
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