Fallen Angel 07 Tanz der Rose
Sie sind also eine Tochter der Fitzgeralds. Gehört auch Mr. Jordan zur Truppe? «
Rosalinds Heiterkeit verflog. »Er hat einmal dazugehört«, seufzte sie, »aber das ist lange her. Er ist schon vor Jahren gestorben. «
»Das tut mir leid. « Stephen hoffte, daß seine Worte sich aufrichtig anhörten, obwohl er in Wirklichkeit hoch erfreut war. Lady Caliban war also eine Witwe - eine bezaubernde, unkonventionelle Witwe, die neben einem Fremden einschlief und nicht empört reagierte, wenn sie durch einen Kuß geweckt wurde.
Die Erwähnung ihres Ehemanns veranlaßte Rosalind aufzustehen. »Sie sollten sich jetzt ausruhen, und nachdem es Ihnen ja ganz gut zu gehen scheint, kann ich wohl in meinem eigenen Zimmer übernachten. Brauchen Sie noch etwas, bevor ich mich zurückziehe? «
Stephen unterdrückte die unanständige Antwort, daß er sie brauche, und fragte statt dessen: »Verläßt die Truppe Redminster schon morgen? «
»Nein, die Stadt ist größer als Fletchfield. Wir bleiben noch einige Tage hier. « Sie lächelte. »Der Veranstaltungssaal im Royal George ist für unsere Begriffe ein gutes Theater. «
»Warum wohnen Sie dann nicht dort? Hätten vornehme Hotelgäste etwas gegen die Anwesenheit von Schauspielern einzuwenden? «
»Vielleicht, aber der eigentliche Grund ist, daß wir uns das Royal George nicht leisten können«, erklärte sie freimütig im Hinausgehen. »Bis morgen, Stephen. «
Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, stand er vorsichtig auf. Dabei wurde ihm wieder etwas schwindelig, und er spürte alle Blessuren, die er sich im Fluß zugezogen hatte. Er holte Blackmers Pillen aus seinem Gepäck und schluckte zwei davon mit etwas Wasser. Heute nacht würde das Medikament, das er getreulich einnahm, obwohl es von geringem Nutzen zu sein schien, wenigstens seine Kopfschmerzen lindern.
Noch ziemlich wackelig auf den Beinen, war er heilfroh, als er wieder im Bett lag. Trotzdem hatte er beim Einschlafen erstaunlich gute Laune.
Nach der gestrigen Aufführung hatte er entschieden, daß er weder eine Ehefrau noch die gespielte Leidenschaft einer Kurtisane haben wollte. So etwas war leicht zu sagen, wenn man kein Begehren verspürte, doch plötzlich machte seine Manneskraft ihm wieder zu schaffen. Vielleicht würde es möglich sein, mit einer sympa-thischen und attraktiven Frau zu schlafen, die so unkonventionell und erfahren war, daß sie eine Affäre nicht überbewertete. War Rosalind Jordan eine solche Frau? Er hoffte es.
Er hoffte es von ganzem Herzen.
Als Rosalind das Zimmer betrat, das sie wie immer mit Jessica teilte, war sie glücklich, daß ihre Schwester noch nicht von der Aufführung zurück war. Sie ließ sich aufs Bett fallen und preßte eine Hand auf den Mund.
Sowohl Jessica als auch ihr selbst war schon während der gestrigen Vorstellung aufgefallen, wie attraktiv Stephen Ashe war, und das lag nicht nur an seiner guten Figur und den markanten Gesichtszügen. Sie würde jede Wette eingehen, daß unter der freundlich distanzierten Fassade ein komplizierter Charakter verborgen war, der Shakespeares Fantasiegestalten in nichts nachstand. Gezügelte Leidenschaft, dunkle Unterströmungen von ja, wovon? Zorn, Trauer, Sehnsucht? Ein entschlossener Hamlet, ein Mann mit natürlicher Autorität. Doch zugleich strahlte er eine Güte aus, die sie besonders anziehend fand.
Hinzu kam noch, daß er fantastisch küßte. Sie wünschte fast, jener unwirkliche Zustand zwischen Wachen und Schlafen hätte länger gedauert. Sie hatte sich in seinen warmen Armen geborgen und begehrt gefühlt...
Energisch rief sie sich zur Ordnung: Sie durfte ihrer Fantasie keinen freien Lauf lassen! Mr. Ashe und sie kannten einander kaum, und er faszinierte sie hauptsächlich deshalb, weil sie noch nie einen Mann wie ihn kennengelemt hatte.
Ihr Vagabundenleben brachte es mit sich, daß sie nur in Schauspielerkreisen verkehrte. Zwar vergötterte sie ihren Vater und bewunderte viele andere großartige Schauspieler, aber sie hatte sich geschworen, nie wieder einen zu heiraten. Charles Jordan hatte blendend ausgesehen und unglaublichen Charme versprüht, doch er war unzuverlässig und unredlich gewesen und hatte seine schauspielerische Begabung stark überschätzt. Über ihren letzten Gedanken mußte sie selbst schmunzeln: daß sie mangelndes Talent als Charakterfehler wertete, bewies, daß sie die Wertmaßstäbe der Fitzgeralds übernommen hatte.
Und doch unterschied sie sich in mancher Hinsicht von
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