Fallen Angel 07 Tanz der Rose
arbeiteten sie Hand in Hand oder unterhielten sich angeregt über alles mögliche und taten so, als fühlten sie sich nicht schier unwiderstehlich zueinander hingezogen.
Während Stephen ihre Anweisungen befolgte und die letzten Requisiten aufstellte, überlegte sie, wie lange er wohl noch bei der Truppe bleiben würde. Aber sie traute sich nicht, ihn direkt zu fragen, aus einer abergläubischen Furcht heraus, er könnte sich verpflichtet fühlen, zu seinem normalen Leben zurückzukehren, sobald das Thema offen zur Sprache kam. Sie wußte natürlich, daß er sie bald verlassen würde, doch sie wollte nicht der Auslöser für diesen Entschluß sein.
Stephen drehte sich nach ihr um. »Gibt es sonst noch etwas zu tun, gestrenge Inspizientin? «
Rosalind musterte kritisch das Bühnenbild und die Beleuchtung. »Alles scheint in bester Ordnung zu sein. Dieses Theater ist leicht vorzubereiten. «
Er kraulte Aloysius hinter den Ohren. »Was wird heute eigentlich gespielt? «
»Isabella oder Die fatale Heirat, eine Tragödie über betrogene Unschuld und grausamen Tod. « Rosalind schmunzelte. »Das ist eine der Glanzrollen meiner Mutter - das weibliche Publikum ist immer zu Tränen gerührt. Es war hier in Whitcombe, als ich sie zum erstenmal die Isabella spielen sah. Ich war vier oder fünf Jahre alt, und während der Szene, in der sie stirbt, rannte ich schreiend auf die Bühne, weil ich glaubte, sie würde wirklich sterben. Den Zuschauern gefiel dieser Zwischenfall, und seitdem bestehen sie darauf, das wir hier jedesmal Isabella aufführen. «
Stephen hob seine dunklen Brauen. »Sie erzählen das wie einen Scherz, aber für ein kleines Kind muß es ein schreckliches Erlebnis gewesen sein. «
Seine freundlichen Worte lösten eine unerwartete Sturmflut von Emotionen aus. Eiskalte Schauer liefen ihr über den Rücken, und sie preßte eine Hand auf das laut pochende Herz, als sie sich daran erinnerte, wie ihre geliebte Adoptivmutter scheinbar im Sterben lag. Unerträgliche Angst, grenzenloses Entsetzen...
Stephen packte sie am Arm und warf ihr einen besorgten Blick zu. »Geht es Ihnen nicht gut? «
In die Gegenwart zurückkehrend, lachte Rosalind verlegen. »Seltsam - Ihre Bemerkung hat dazu geführt, daß ich die Szene plötzlich wieder so lebhaft vor Augen hatte, als würde sie in diesem Moment passieren. Töricht von mir! «
»Ich finde das gar nicht töricht«, sagte Stephen ruhig. »Sie hatten schon Ihre leibliche Mutter verloren, und zu glauben, daß nun auch die Adoptivmutter tot war, muß gräßlich gewesen sein. Das Weitende, könnte ich mir vorstellen. «
»Ja, so habe ich es empfunden. « Etwas Düsteres und Grauenerregendes stieg aus den Tiefen ihres Unterbewußtseins empor. Der Tod ihrer Mutter... Das Weitende...
Schaudernd zwang sie die Schreckensbilder ins Dunkel zurück, bevor sie Gestalt annehmen konnten. Merkwürdig, daß Stephen die Zusammenhänge sofort begriffen hatte - im Gegensatz zu ihr selbst. Aber sie bemühte sich ja auch stets, nicht über ihr Leben vor der Adoption nachzudenken.
Er drückte ihr tröstend die Hand. »Versuchen Sie manchmal, sich an Ihre leibliche Mutter zu erinnern? «
»Hin und wieder, aber es gelingt mir nie. Maria sagt, es müsse eine sehr gute Mutter gewesen sein, weil ich für ein kleines Kind ausgezeichnete Manieren hatte. « Um von dem Thema abzulenken, das sie verstörte, schaute Rosalind sich im Theater um. »Edmund ist nicht da, oder? Wir wollten eigentlich das Nachspiel proben, weil wir es lange nicht aufgeführt haben. «
Stephen akzeptierte den Themenwechsel und ließ ihre Hand los. »Wie heißt das Stück? «
»Der treulose Liebhaber. Eine alberne Schlafzimmer-Farce, die das Publikum nach dem Melodram Isabella zum Lachen bringt. « Mit gerunzelter Stirn beobachtete sie ihren Vater, der nervös am Eingang auf und ab lief. »Papa ist sehr unzufrieden, daß Edmund wieder einmal fehlt. «
Gleich darauf schlug Thomas sich wütend mit dem Textbuch auf die Handfläche und stürmte zur Bühne. »Stephen, Sie müssen als schurkischer Liebhaber im Nachspiel einspringen. Wenig Dialoge - Sie müssen hauptsächlich vornehm und verschlagen auftreten und mit der falschen Frau ins Bett gehen. «
»Wie bitte? « fragte Stephen bestürzt.
Rosalind mußte über seine verblüffte Miene lachen. »Sie sind Claudio, der schurkische Herzog, der Annabelle heiß begehrt - eine tugendhafte Jungfrau, gespielt von Jessica. Sie drohen, ihren Vater hinrichten zu lassen, wenn sie
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