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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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Den Leuten und dem Lärm kommt man einfach nicht aus.
     
    Nr. 8. Zwei ganze Monate. Ich weiß, ich werd ihn nie wiedersehen. Ich war da und hab ihnen nachgeschaut. Ich hätte nicht gedacht, daß einer von denen mich gesehen hat, aber als er weggefahren ist, hat er mit dem Kopf genickt, als wollte er sagen: Bis später, Lily. Aber er wird nicht kommen, das weiß ich. Er ist für immer weggegangen. Ich weiß es, ich weiß es.
    Mrs. Reynolds hat Haare wie ein Filmstar, ganz golden, mit ondulierten Locken über den Ohren. Und wunderschönen roten Lippenstift. Als sie wegen der Miete gekommen ist, wollte meine Ma nicht aus dem Zimmer gehen. Sie hat gesagt, ich soll Jimmy mit mir runternehmen. Ich hab gesagt, er ist zu krank, aber sie hat mich dazu gezwungen.
    Ich glaube, sie hat gewußt, daß der arme kleine Jimmy Mrs. Reynolds zu Tode erschreckt oder daß wir ihr leid tun und sie nicht nach der Miete fragt. Und recht hat sie gehabt. Ist das nicht komisch? Die Frau hat nur einmal hingeguckt und dann gesagt, ich soll ihr das Geld nächste Woche geben, wenn das Kind im Bett ist. Sie hat Jimmy gemeint, deswegen glaube ich, daß Ma recht gehabt hat.
     
    Portsmouth. An Seekrankheit hatte ich nicht gedacht. Aber schließlich und endlich habe ich überhaupt nicht gedacht, oder? Ich bin einfach in das erstbeste Rekrutierungsbüro, das ich gesehen habe, und habe mich als Freiwilliger gemeldet.
    »Irgendwelche Erfahrungen auf See, Sir?« hat der Offizier am Schreibtisch mich gefragt.
    »Na ja, ich lebe nahe am Meer.«
    »Das ist schon mal ein Anfang, Sir.«
    Und jetzt bin ich bei der Marine. Mir ist hundeelend. Seehundeelend.
     
    Der alte O’Keefe kommt jetzt nicht mehr vorbei und stellt Fragen. Das hat er wochenlang gemacht, aber ich hab nie was gesagt. Ein- oder zweimal hab ich ihn in der Nähe von ihrem Haus gesehen, aber er hat mich nicht gesehen. Glaub ich jedenfalls. Bei dem weiß man nie. Der sieht mehr, als er zugibt. Als er das letzte Mal vorbeigekommen ist, hat er mir einen Shilling gegeben. Ich hab trotzdem nichts gesagt. Er hat es sowieso gewußt. Er hat nichts gesagt, aber er hat alles gewußt. Das weiß ich. Er hat gesagt, daß ich tapfer bin und daß er mich bewundert, wie ich mich um Jimmy kümmer. Ich hab gesagt, warum soll ich das nicht? Vielleicht hat er gedacht, mit einem Shilling könnte er was aus mir rauskriegen. Aber ich hab nichts gesagt.
     
    HMS Collingwood Fareham. Das ist kein richtiges Schiff. Ein an Land stationiertes Schiff, wenn man je von so was gehört hat. Ich werde als Funker ausgebildet – und zwischendurch helfe ich den Bauern hier, Kartoffeln zu ernten. Es ist naß und schlammig, aber mir gefällt es. Da ist man endlich für sich. Man kann sehen, wer auf einen zu kommt. Ich wünschte, ich hätte mich nicht beim Militär verpflichtet. Ich hätte einfach hierherkommen und auf dem Land arbeiten können. Die sind sehr knapp an Leuten …
     
    Niemand hat die Miete kassiert. Alle Leute hier sagen, daß die Buller-Missis eine Heidenangst davor hat herzukommen. Mr. Doyle von Nummer zehn meint, er wird’s ihr zeigen, wenn sie ihre Nase in seine Wohnung steckt. Einen Dreck wird er tun, der hat doch vor seinem eigenen Schatten Angst, der Kerl. Lyrics Cotter erzählt immer das gleiche: »Nicht einen Penny kriegt die von mir«, sagt er. »Das sag ich euch. Wir müssen uns orgisieren«, sagt er. Ich glaub, er meint organisieren. Man kann sich da aber nicht sicher sein. Er ist genauso wie alle die anderen, hat nie aufgemuckt gegen den alten Buller. Nur ja, Mister, nein, Mister, selbstverständlich, Mister. Jetzt können sie leicht tapfer sein, jetzt, wo es nur eine Frau gegen sie alle ist. Nichts als Geschwätz, was die da reden. Aber mit uns redet keiner.
     
    Scotia, Ayr, Schottland. Wieder Ausbildung, diesmal in einem umfunktionierten Ferienlager. Gott sei Dank. Ich konnte es nicht erwarten wegzukommen. Raus aus dem Gewimmel … Ein Mann aus Dublin ist auch hier. Aus Irishtown. Ich weiche ihm aus. Nur mit einem von zu Hause habe ich mich angefreundet. Nicht aus Dublin, sondern aus Achill, im Westen. Er heißt Peader, aber alle nennen ihn Pete. Er spricht Irisch. Versucht, es mir beizubringen. Das Wetter ist herrlich, Schottland auch …
     
    Die glauben, ich bin dumm, aber das bin ich nicht. Mr. Byrne hat mit dem Wechselgeld in seiner Hosentasche geklimpert, als sie alle gequasselt haben. Ein Halbkronenstück ist rausgefallen. Lyrics hat die ganze Zeit gebrüllt, deswegen hat er nicht gemerkt,

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