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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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grünen Wiese zu sitzen. Allein. Man hat nicht einmal Platz genug, um in Ruhe zu furzen, noch viel weniger, etwas anderes zu machen. Ich habe schreckliche Angst, ich könnte im Schlaf reden. Furchtbare Albträume habe ich.
     
    Ich hab mich zu schrecklich gefühlt, um es auch nur aufzuschreiben: Ich habe für Mrs. Reynolds gearbeitet. Zuerst hab ich es gehaßt, weil sie vielleicht etwas über Ma sagt. Aber jetzt hasse ich es einfach so. Ich bleibe ganz für mich. Sie glaubt, ich bin schwachsinnig. Ich hab gehört, wie sie das eines Tages gesagt hat. Das hat mir nichts ausgemacht. So hab ich meine Ruhe. Die ist nicht wirklich böse. Und sie hat den alten Buller gehaßt, so, wie sie redet. Das Haus ist richtig fest gebaut. Voller Möbel. Sie hat so viele Töpfe und Pfannen, daß sie nicht weiß, was sie damit machen soll. Ich gehe nach dem Essen hin. Um halb eins.
    Sie geht in die Kinos in der Stadt. Ins Capitol oder ins Savoy oder ins Tivoli. Die lebt nur für Filme. Ständig redet sie über Betty Grable und Errol Flynn. Sie sagt, für Errol würde sie sterben. Baba läßt sie da. Ich soll auf ihn aufpassen, während ich im Haus aufräume. Da ist nicht viel aufzuräumen. Ich glaub, die hört immer nur Radio.
    Jimmy habe ich nur die ersten paarmal bei Rose gelassen. Bis ich die Gewohnheiten von Mrs. Reynolds gekannt hab. Sie kommt immer um zehn nach sechs nach Hause. Ich lasse Jimmy in seinem Wagen im Garten nebenan, bis sie geht, und kurz vor sechs stelle ich ihn wieder raus. Um halb sechs soll ich Baba sein gekochtes Ei geben. Sie sagt, ohne sein Ei kann er nicht leben, der Fettkloß. Und ob er das kann. Ich lege so viele Eier wie möglich für Jimmy auf die Seite. Ich schätze, Baba kommt auch so ganz gut zurecht. Warmes Brot und Milch sind ihm sowieso lieber. Also tue ich ihm nur einen Gefallen. Mrs. Reynolds ist nicht schlecht. Lyrics Cotter sagt, die Dame ist verrückt. Das sieht ihm ähnlich. Aber ich geh nicht mehr zu ihr. Jimmy ist zu krank.
     
    Der alte Josh ist wahrscheinlich tot. Er würde mich nicht im Stich lassen. Er hatte ein schwaches Herz. Ich habe keinen Kontakt zu ihm. Bei einem der Jungs, der auf Landgang nach Dublin ist, habe ich eine irische Zeitung geschnorrt. Sie war eine Woche alt. Er sagt, er würde immer eine mitbringen. Wenn ich Interesse daran habe. Aber dann hat er mich gefragt, warum ich nicht selber auf Urlaub rübergehe. Ich habe gesagt, meine Freundin wohne in London. Und meine Angehörigen seien tot. Wie wahr.
     
    Ich hab ein prima Versteck für die Werkzeuge gefunden. In einem kleinen Schuppen auf der Rückseite von dem leeren Haus nebenan. Wenn man durch das Oberlicht auf dem ersten Treppenabsatz klettert, kann man raus auf das hintere Dach und sich von da auf das Dach von dem Schuppen nebenan fallen lassen. Das Haus ist leer, ganz zugenagelt, aber der Kohlenschuppen ist gar nicht schlecht. Ich hab einen Ziegel in der Wand gelockert und die Werkzeuge hineingeschoben. Vorher habe ich sie ganz fest in Zeitungspapier und einen Öllumpen eingewickelt, damit sie trocken bleiben, und dann habe ich den Ziegel wieder zurückgeschoben und ein kleines L darauf gekratzt, um ihn zu markieren. Nie hätte ich durch das Fenster schauen dürfen. Gott behüte uns vor allem Übel, aber da sind Millionen von Ratten drinnen. Zuerst hab ich sie nicht gesehen, weil ich nur das schöne Buntglas in den alten Türen angeschaut und mich gefragt hab, ob ich es rausnehmen und verkaufen könnte. Und da habe ich gemerkt, daß der Boden drinnen sich bewegt. Er war voller Ratten, alle übereinander; sie sind einander auf die Schultern geklettert wie Zirkusakrobaten, damit sie die Wände zu dem Stockwerk drüber raufkommen. Gott, o mein Gott, da war ein riesiges Loch, durch das sie geschlüpft sind. Ich muß alle Löcher bei uns zustopfen. Mir ist fast schlecht geworden, als ich sie angeschaut hab. Vor lauter Angst wollte ich schreien. Ich bin kaum die Wand raufgekommen, und auch dann hab ich eine Ewigkeit auf dem Dach sitzen müssen, weil Mrs. Cunningham vom Stockwerk drunter direkt unter dem Oberlicht gestanden ist und mit dem alten Lyrics Cotter gequatscht hat. Wenn die auch nur einmal raufgeschaut hätten, dann hätten die mich mit Sicherheit gesehen.
     
    In britischen Gewässern, 1943. Fast zwei Jahre, und immer noch kommen die Albträume. Werde ich auf immer und ewig diese schreckliche Straße entlanggehen? In meinem Traum bin ich es, der ihm ein Messer an die Kehle hält. Eines der Falzmesser. Ich

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