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Fallkraut

Fallkraut

Titel: Fallkraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucette ter Borg
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herüber.
    Wir haben ein Restaurant am anderen Ufer des Flusses besucht. Sigrid meinte, dass ich ruhig noch warten könne mit dem Auspacken. Ich durfte nicht sofort loslegen. »Du hast Urlaub«, sagte sie.
    Aber ich wollte wenigstens die empfindlichsten Kleidungsstücke aufhängen, meine Röcke, die Sommerblusen. Die Knitter kriegt man nicht raus ohne Bügeleisen.
    Jedem sein eigenes Tempo. Ich sage auch nichts, wenn sie nachher Geige üben will und ich Lust habe auf eine andere Zerstreuung. Dann passe ich mich an. Dann warte ich.
    In dem Reiseführer stand eine nette Adresse in Niederheimbach, einem Dorf, so groß wie eine Walnussschale, direkt gegenüber von Lorch. Alles besser als das Frittierfett, nach dem unser Hotel riecht.
    Â»Das Gasthaus ›Zum Schweinebraten‹ scheint nicht teuer zu sein«, sagte Sigrid, »aber die Küche ist gut, und die Portionen sind groß.« Sie hatte recht.
    Ich habe göttlich gegessen. Zuerst Tomatencremesuppe mit geriebenem Käse, danach überbackene Schweinesteaks mit Bratkartoffeln, Erbsen in Sahnesauce und Weißkrautsalat. Und als Nachtisch Vanilleeis mit Schokoladensauce. Dann bin ich fast geplatzt. Sigrid nahm nur eine Vorspeise und bestellte sich eine Flasche Wein. Während ich aß, trank sie eine dreiviertel Flasche leer. Auch eine Form der Mahlzeit. Ich trinke nur in Gesellschaft, denn ich bin schon nach einem Glas beschwipst.
    Auf der Fähre von Niederheimbach zurück zum ­Hotel fühlen sich meine Wangen glühend heiß an. Die Weinberge jenseits des Flusses muten an wie ein großes, dunkles, schlafendes Tier mit dickem, lockigem Fell, in dem sich die Wildschweine und die Elfen, die Hirsche und Kobolde, die Bergzwerge und Kaninchen verstecken. Über meinem Kopf stehen hell der Große und der Kleine Wagen, und in der Richtung des Polarsterns liegt Holland. Dort wird sich Brigit ein Zimmer in Rotterdam suchen, und Otto hat viel zu tun bei seiner Arbeit im Tilburger Krankenhaus. Mein Trübsinn von heute Nachmittag ist verschwunden. Wenn ich anrufe, hat Otto selbstverständlich bloß ein paar Minütchen für seine Mutti. Mein Schatz entspannt sich nur vor dem Fern­seher.
    Die Fähre hat stromabwärts eine Biegung gemacht und kämpft sich nun gegen die Strömung auf die Anlegestelle in Lorch zu. Langsam kriechen wir voran. Ich lasse mich mit den Wellen mitwiegen und denke mehr als vierzig Jahre zurück. Damals wollte ich auch hierher fahren. Meine Hochzeitsreise am Rhein entlang. Mit Karel. Auf dem Motorrad.
    Wenn nicht.
    Wenn Karel nicht.
    Ach, Karlchen.
    Â»Hast du genug Benzin?!« Ich tippte Karel auf den Rücken.
    Karel drehte seinen Kopf halb zur Seite und hob einen behandschuhten Daumen.
    Ich konnte seine Augen durch seine Motorradbrille hindurch nicht sehen, so regnete es.
    Fröstelnd zog ich die Schultern hoch. Ich klemmte mir meine Tasche auf den Schoß und rutschte so weit wie möglich nach vorn, an den Rücken meines Mannes.
    Wir waren eine knappe Stunde unterwegs in den Urlaub am Rhein. Die Grenze war noch nicht einmal in Sicht, und ich war jetzt schon durchgefroren bis auf die Knochen. Mein Steiß brannte, als hätte jemand mit einer Tranchiergabel hineingestochen.
    Es gibt wenig Dinge, die ich nicht ausstehen kann, aber ich hasse mieses Wetter. Den aufspritzenden Matsch an meinen Strümpfen. Die Kälte. Die Regenjacke, die mir an den Armen klebt. Schuhe, die voll Wasser laufen. Die Regenhaube, die mir die Haare zerdrückt. Ich hasse es, in einen Anzug gesteckt zu werden, in dem ich mich nicht wohl fühle. Ich hasse Motorradfahren überhaupt.
    Karel war entschlossen gewesen. »Nichts ist so abenteuerlich, wie auf einer Indian um die Welt zu reisen«, sagte er, als ich fragte, warum wir denn nicht mit dem Zug fahren würden, wir hätten doch noch nichts reserviert, kein Hotel, keine Sitzplätze, alles sei möglich.
    Aber Karels Motorrad war nagelneu, frisch aus Amerika importiert.
    Â»Meine Two-tone«, sagte Karel. Er sprach die eng­lischen Wörter aus, als würde er im Café Chantant bei Eulders eine Jazznummer von Louis Armstrong ankündigen. Genauso schwungvoll und glänzend wie der Scheinwerfer und das vordere Schutzblech des Motorrads.
    Karel stand vor dem Spiegel und rasierte sich. Ich lag auf dem Bett und sah zu. Karel zog seinen Mund nach rechts und schabte den weißen Schaum in chaotischen Kreisen von der

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