Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
einfach eine gute Diplomatengattin, mein Lieber. In Wahrheit komme ich mir vor wie ein Kind, das die Bettlaken seiner Eltern gestohlen hat, um als Geist herumzulaufen und Leute zu erschrecken.«
Er lächelte. »Genauso siehst du auch aus.«
Auch wenn er nur ihre Augen sehen konnte, wusste er, dass sie das alles nicht wirklich erheiternd fand.
»Du musst das nur in der Öffentlichkeit tragen. In der Privatsphäre unseres Hauses kannst du anziehen, was du möchtest.«
»Du meinst, in der Privatsphäre des Serails«, berichtigte sie. »Diese paar kleinen Zimmer, in denen ich tun kann, was ich will, vorausgesetzt ich werde nicht gesehen und meine Ansichten nicht gehört, richtig?«
»Du weißt, dass ich dich nie gegen deinen Willen einschränken würde, Arkady.«
Sie seufzte mit hörbarem Zweifel, ob er dieses Versprechen würde halten können. »Wir sind hier in Torlenien, Stellan. Du hast vielleicht gar keine Wahl.«
»Euer Gnaden?«
»Ja?« Obwohl sie sich beide zu dem torlenischen Seemann umwandten, war es Stellan, der antwortete. Es war undenkbar, dass ein anderer Mann auf dem Schiff Arkady ansprach. Nicht hier. Nicht in Torlenien.
»Der Kapitän wies mich an, Euch mitzuteilen, dass wir innerhalb einer Stunde von Bord gehen und dass der Kaiser eine Abordnung zu Eurem Empfang geschickt hat.« Der Mann sprach leicht stockend, als suchte er nach den richtigen Worten. Stellan war beeindruckt. Obwohl man hörte, dass Glaebisch nicht die Muttersprache des Seemannes war, sprach er es sehr gut.
Blinzelnd wandte er sich wieder der Stadt zu, geblendet vom Gleißen des Sonnenlichts auf den Salzkristallen. Sie hatten die Felsen, die den Hafen schützten, schon hinter sich und glitten direkt auf die überlaufenen Kaimauern von Ramahn zu. Die Amphiden hingen jetzt alle im Zuggeschirr und zogen das Schiff der Stadt entgegen. Stellan ließ seinen Bück über die näher rückenden Kais wandern und erspähte einige vergoldete Sänften und eine Abteilung der kaiserlichen Garde, die sich auf der Landungsbrücke vor einem unbesetzten Ankerplatz formierte. Genau dort, wohin die Amphiden das Schiff zogen.
»Bestelle dem Kapitän meinen Dank«, instruierte Stellan den Seemann auf Glaebisch. Es gab keinen Grund, die Torlener jetzt schon wissen zu lassen, dass er mehr als nur flüchtige Bekanntschaft mit ihrer Sprache gemacht hatte. »Und sage ihm, wir halten uns zu seiner Verfugung.«
Der Seemann machte einen kurzen Diener und eilte davon.
»Glaubst du, das ist wirklich nur eine Eskorte?«, fragte Stellan und lehnte sich wieder auf die Reling. Im Hafen wimmelte es von Menschen, das Lärmen auf den Piers drang schon an ihre Ohren.
»Ich glaube nicht, dass sie auf uns warten, um uns festzunehmen«, antwortete Arkady. »Immerhin hat der Kaiser sein Flaggschiff geschickt, um uns abzuholen.«
»Nur weil er in seinen torlenischen Gewässern keine Schiffe der königlich glaebischen Flotte will«, gab er zu bedenken. »Ich frage mich immer noch, ob ich darauf hätte bestehen sollen, dass wir in einem unserer Schiffe anreisen.«
So war es geplant gewesen. Erst als die glaebische Delegation die Inseln von Chelae erreichte und dort Halt machte, um die schwindenden Trinkwasservorräte aufzufrischen, wurde ihnen eröffnet, dass der Kaiser von Torlenien dem Schiff des Königs von Glaeba die Weiterfahrt in torlenische Gewässer verwehrte. Er verweigerte nicht dem Gesandten Glaebas die Weiterreise - das wurde ausdrücklich versichert -, wohl aber seinem Schiff.
Der Botschafter, den man geschickt hatte, um die Anordnung des Kaisers zu überbringen, erging sich in blumigen Worten, wie heimtückisch die Gewässer bei der Einfahrt in den Hafen der Kristallstadt seien und dass kein glaebischer Seemann, wie erfahren er auch sei, die Sicherheit des neuen glaebischen Gesandten und seiner reizenden Gemahlin gewährleisten könne. Stellan hatte mit sich gerungen, ob er es auf einen Zwist ankommen lassen sollte. Der Stein des Anstoßes zwischen Glaeba und Torlenien war die Frage, wo genau die Grenze zwischen den Hoheitsgewässern der beiden Länder verlief. Die Inseln von Chelae, die genau in der Mitte der umstrittenen Linie lagen, waren der Grund, warum die beiden Nationen seit so langer Zeit ein gespanntes Verhältnis hatten, und der eigentliche Anlass dafür, dass Stellan jetzt hier war.
Am Ende hatte er sich entschlossen, dem Wunsch des Kaisers zu entsprechen. Es war noch nicht klar, wie viel Schaden Lord Jorgan angerichtet hatte, als er die
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