Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
Gitterstäbe stießen. Angewidert wich Arkady zurück, unsicher, ob sie wirklich so verzweifelt war.
Der Aufseher zuckte mit den Schultern, vielleicht ein wenig enttäuscht, aber nicht überrascht. »Du hast drei Tage Zeit, deine Meinung zu ändern, Süße«, sagte er. »Danach spielt es keine Rolle mehr.«
Er wandte sich ab und schlenderte den Gang hinunter. Arkady starrte ihm nach. Nach einer Weile drehte sie sich zu den anderen Frauen um und zuckte zusammen, als der Stoff ihres Gewands über ihre verletzte Brust strich. Die feurige Qual war einem dumpf pochenden Schmerz gewichen. Was immer in der Paste war, die der Schmied auf die Wunde geschmiert hatte, sie schien jedenfalls die Schmerzen zu betäuben. »Was hat er gemeint?«
»Was hat wer gemeint?«, fragte die ältere Frau.
»Der Aufseher. Strakam. Er sagte, ich hätte drei Tage Zeit, meine Meinung zu ändern. Was hat er damit gemeint?«
»Er hat damit gemeint, dass du nur noch drei Tage Zeit hast, deine Meinung zu ändern«, erwiderte die Frau. Sie lächelte ihre Kameradin an. »Sie ist nicht gerade sehr helle, was?«
»Werden wir dann versteigert?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Wir sind nicht für die Auktion vorgesehen. Sie versteigern bloß das, wofür jemand bereit ist, zu bieten.
Du, ich, wir alle hier ... wir sind den Aufwand nicht wert.« Sie sah auf und taxierte Arkady im Halbdunkel. »Du hättest vielleicht was gebracht, wenn du etwas jünger wärst, schätze ich. Gewaschen siehst du wahrscheinlich ganz gut aus, aber nicht gut genug, um die Männer von Elvere zu reizen.«
»Und was geschieht dann mit uns?«
»Wir gehen als Partie an die Senestrer.«
»Als Partie?«, fragte sie, da sie mit dem Ausdruck nicht vertraut war.
»Das bedeutet, wer werden als Gesamtposten verkauft«, erklärte ihre Kameradin. »Die Senestrer bestellen einfach eine Partie Sklaven ... du weißt schon, nach Geschlecht, Größe ... Gewicht... Farbe ... was auch immer - ich weiß nicht genau, wie das läuft -, und die Sklavenhändler führen den Auftrag aus. In drei Tagen werden wir verschifft.«
Drei Tage. Drei Tage blieben Tiji, um sie zu finden - vorausgesetzt, sie hatte die leiseste Ahnung, dass Arkady jetzt Sklavin war und darauf wartete, in drei Tagen nach Senestra verschifft zu werden. Drei Tage blieben Arkady, um zu entscheiden, ob sie verzweifelt genug war, Strakam zu geben, was er verlangte. Wohl gemerkt ohne Gewähr, dass er überhaupt versuchen würde, ihre Nachricht zu überbringen, dafür aber mit dem Risiko, sich etwas Ekliges von ihm einzufangen.
Drei Tage blieben Cayal, um von ihrem Schicksal zu erfahren und sie zu suchen. Vorausgesetzt, es war ihm wichtig genug, um sie zu suchen.
Auch dafür gab es keine Gewähr.
Mit Schmerzen, voller Verzweiflung und verloren in der Welt eines Volkes, das sie nicht verstand - weder ihre Sprache noch ihre Gebräuche - sank Arkady auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Gitterstäbe. Sie ließ den Tränen freien Lauf und redete sich ein, sie kämen vom Schmerz ihrer Brandwunde, aber sie wusste, dass es viel mehr war als das.
In ihrem ganzen Leben war Arkady noch nie so verzweifelt gewesen wie jetzt. Nicht in der Nacht, als sie ihren Vater verhafteten, nicht einmal, als sie mit vierzehn Jahren das erste Mal an die Tür von Fillion Rybank klopfen musste. Damals war sie so jung gewesen, so leicht zu überzeugen, dass es noch Hoffnung gab. Weniger fähig, die Folgen vorherzusehen; weniger streng in der Beurteilung ihrer Lage.
Die Wahrheit lautete, Arkady war jetzt versklavt. Schlimmer noch, sie trug das Brandmal einer Sklavin - was bedeutete, dass niemand in Torlenien ihr glauben würde, dass sie je etwas anderes gewesen war -, und die einzigen vier Menschen auf Amyrantha, denen sie genug bedeutete, um ihr zu Hilfe zu kommen, waren für sie unerreichbar.
Stellan saß im Kerker, war inzwischen vielleicht sogar schon hingerichtet, fälschlich beschuldigt, den glaebischen König und die Königin ermordet zu haben. Die Gezeiten allein wussten, wo Declan sich aufhielt, mitsamt seiner gespenstischen Zuständigkeit, Stellan anhand von fingierten Schuldbeweisen zu überfuhren. Cayal war unterwegs auf der Suche nach einem anderen Gezeitenfürsten, in dem Irrglauben, sein alter Feind hätte sich bereit erklärt, ihm zu helfen.
Und Tiji... die kluge, einfallsreiche kleine Ark war vielleicht nur ein paar Straßen entfernt, aber um ihr eine Nachricht zuzuspielen, müsste Arkady Strakam geben, was er verlangte,
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