Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
ihn warnten, dass noch ein anderer Unsterblicher in der Nähe war.
»Gezeiten … wie hast du uns gefunden …« Arryls Stimme verstummte, als sie merkte, dass er gar nicht hinhörte. Gemessen daran, wie lange sie und ihre Freundinnen Medwen und Ambria sich schon in den senestrischen Feuchtgebieten verborgen hielten, war sie wahrscheinlich entgeistert, dass er sie so leicht hatte aufspüren können. Er nahm an, sie würde noch bedeutend schockierter sein, wenn er ihr verriet, dass Lukys ihren Aufenthaltsort seit Jahrhunderten kannte.
Doch im Augenblick war es Cayal ziemlich gleichgültig, ob Arryl verstört war oder was sie davon hielt, dass er hier aufgetaucht war. Er hatte nur Augen für Arkady und steuerte direkt auf sie zu. Sie machte keine Anstalten, ihm entgegenzukommen, wich aber auch nicht vor ihm zurück.
Als Cayal sie erreichte, blieb er vor ihr stehen und versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, was sie dachte, was sie empfand. Jedes Mal, wenn ich denke, ich habe mir diese Frau aus dem Kopf geschlagen, taucht sie wieder auf. Warum nur?
»Hallo, Cayal«, sagte sie nach einer Weile.
»Arkady.«
»Du entwickelst allmählich eine besondere Gabe, an den abwegigsten Orten aufzutauchen, kann das sein?«
»Ich verbeuge mich jedoch demütig vor der Meisterin dieses Fachs.«
Die Bemerkung rief ein leichtes Lächeln bei ihr hervor. Mehr Ermutigung brauchte er nicht. Er nahm sie in die Arme und küsste sie auf den Mund. Für den Bruchteil eines Augenblicks zögerte sie, dann legte sie die Arme um ihn und erwiderte seinen Kuss.
Nach einer Weile legte er seine Stirn an ihre und spürte genießerisch ihre Nähe. »Gezeiten, du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich von dir geträumt habe«, sagte er so leise, dass nur sie es hören konnte.
Er hatte angenommen, dass sie etwas Ähnliches antworten würde, doch sie schüttelte nur den Kopf. »Du musst wirklich ein ödes Leben fuhren, wenn das alles ist, wovon du träumen kannst.«
»Du hast mir gefehlt.«
»Dir gefehlt? Du hast gesagt, du versuchst mich zu vergessen. Warum bist du jetzt so froh, mich zu sehen?«
»Ich bin eben wankelmütig«, sagte er und zuckte die Achseln. »Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde dich bestimmt bald wieder hassen.« Er lächelte wieder, küsste sie flüchtig, fasste sie an den Händen und drehte sich dann zu Arryl um. Erst jetzt fiel ihm auf, dass am Außenposten noch andere warteten. Zwei davon waren Chamäliden, die er sofort als unwichtig abtat. Der andere Kerl schien ein Mensch zu sein und kam ihm auf den ersten Blick irgendwie bekannt vor …
Und dann bemerkte er, dass die mächtigen Wellen, die er in den Gezeiten spürte, auf keinen Fall von Arryl herrühren konnten.
Cayal stieß Arkady von sich und trat dem Fremden entgegen, tastete nach den Gezeiten, machte sich kampfbereit. »Wer bist du?«
»Sein Name ist Declan Hawkes«, sagte Arryl, ehe der Fremde antworten konnte. »Und er ist als mein Gast hier. Also lass locker.« Sie spürte natürlich, wie Cayal Macht an sich zog, so wie er spüren konnte, dass dieser fremde Unsterbliche unbeholfen die Gezeiten berührte. Sie sah an ihm vorbei und funkelte Hawkes an. »Alle beide.«
Cayal beäugte diesen neuen Unsterblichen argwöhnisch und wartete ab, was der andere tun würde. Warum kam ihm der Name so vertraut vor? Der Mann sagte nichts, er starrte Cayal nur mit ebenso wachsamem Argwohn an und zog seinerseits die Kraft der Gezeiten an sich.
»Gezeiten, du bist der Erste Spion von Glaeba«, entfuhr es Cayal nach ein paar angespannten Augenblicken, als ihm endlich einfiel, wo er den Mann schon gesehen hatte.
»Cayal …«
Plötzlich verstand er, warum sie hier war, und lachte bitter über diese Ironie des Schicksals. Er drehte sich zu Arkady um. »Das ist der Mann, vor dem du mich in Glaeba beschützen wolltest? Von dem du befürchtet hast, er würde mich foltern und töten? Lustig, du hast gar nicht erwähnt, dass er ein Unsterblicher ist. Als wir uns zuletzt sahen, war er das eindeutig nicht.«
»Declan ist erst kürzlich in eure Reihen aufgestiegen«, sagte Arkady.
Cayal lebte schon sehr, sehr lange, und er konnte in den meisten Menschen lesen wie in einem offenen Buch, vor allem, wenn sie über irgendetwas wütend waren. Da lag eine gewisse Schärfe in Arkadys Ton, Hinweis auf eine Verbitterung, die bedeutend tiefer saß als die Überraschung oder Besorgnis über sein unerwartetes Auftauchen hier oder dass der Erste Spion des Königs von Glaeba jetzt ein
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