Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
sagte er und wandte unbehaglich den Blick ab. »Brauchst du sonst noch etwas?«
Rettung, antwortete sie stumm, aber ihm das zu sagen war sinnlos. Arkady rutschte von der Kante des Behandlungstischs. Nun stand Cydne zwischen ihr und dem Instrumententablett. Ihre Chance -wenn sie denn je eine gehabt hatte – war vorbei. Es würde sicher keinen zweiten Ausflug zur Kajüte des Arztes geben, weder um ihre angeblich infizierte Brandwunde behandeln zu lassen, noch aus irgendeinem anderen Grund.
Er ging an ihr vorbei und legte die Hand auf die Klinke, um die Tür zu öffnen und ihren Wächter zu rufen …
»Wartet!«
»Ist noch etwas?«
»Nehmt mich«, platzte sie heraus. Eine delikatere Formulierung fiel ihr in der Kürze der Zeit nicht ein, aber sie musste die Situation herumreißen. So eine Gelegenheit bekam sie nicht noch einmal.
»Pardon?«
»Ihr werdet von der Besatzung schikaniert, weil Eure Kameraden denken, Ihr … Ihr …« Sie suchte nach dem richtigen Wort, wusste nicht, wie sie es taktvoll ausdrücken sollte. Ihr ganzes weiteres Leben hing davon ab, und sie hatte nur einen Augenblick, um diesen Mann zu überreden, ihr zu helfen. »Weil sie denken, Ihr … seid kein richtiger Mann.«
Erneut errötete Cydne zu einem tiefen Himbeerrosa.
»Der Kapitän hat angeordnet, dass die Besatzung die Sklavinnen vernaschen darf, sobald wir die torlenischen Gewässer verlassen«, fügte sie eilig hinzu. »Das ist in etwa einer Stunde, nicht?«
»Ungefähr, ja.«
»Also, Ihr wollt doch nicht noch mehr Prügel beziehen, und mir ist überhaupt nicht danach, mich dutzendfach vergewaltigen zu lassen. Bitte, Doktor. Sagt dem Kapitän, Ihr wollt mich als Bettgespielin. Sagt ihm, Ihr wollt mich hierbehalten.«
Cydne wirkte entsetzt über ihren Vorschlag. »Warum, bei den Gezeiten, sollte ich so etwas tun?«
»Wenn Ihr eine Frau für Euch allein habt, wird die Mannschaft Ruhe geben. Euer Vater hält Euch dann für einen echten Kerl, und ich muss mir keine neue Möglichkeit ausdenken, mich umzubringen.«
Das Blut wich aus dem Gesicht des jungen Arztes. »Deshalb bist du hergekommen? Deshalb hast du so getan, als wäre deine Wunde infiziert? Hast du etwa gehofft, dass ich dir genug Schmerzmittel gebe, um dich umzubringen?«
Arkady schüttelte den Kopf. »Ich hatte vor, ein Skalpell zu stehlen und mir die Karotisarterie zu öffnen.«
»Woher willst du denn wissen, wo deine Karotis verläuft?«, fragte er mit einem verblüfften Stirnrunzeln.
»Mein Vater war Arzt.«
Cydne sah jetzt verwirrt aus. Er wirkte zu überfordert, um schnell eine Entscheidung zu treffen, ganz zu schweigen von dem unerhörten Vertrauensvorschuss, der nötig wäre, damit er dieser fremden glaebischen Sklavin half, die er noch keine fünf Minuten kannte.
Aber immerhin hatte er bisher weder die Tür geöffnet noch nach dem Wächter gerufen.
»Du weißt doch gar nichts über mich«, sagte der junge Mann nach einem Augenblick. »Dein schlimmster Alptraum könnte ich sein.«
»Mein schlimmster Alptraum ist, die nächsten paar Wochen als Freiwild in der Mannschaft herumgereicht zu werden«, sagte sie. »Ganz gleich, wie pervers Ihr auch sein mögt, etwas Schlimmeres als das bringt Ihr nicht fertig.«
»Glaubst du vielleicht auch, dass ich mir nichts aus Frauen mache?«, fragte er hörbar defensiv. »Willst du dich deshalb meiner Gnade ausliefern? Weil du denkst, dass ich keine lüsternen Absichten habe?«
Arkady hätte ihn am liebsten angeschrien. Stattdessen holte sie tief Luft und hoffte, dass sie vernünftig klang statt verzweifelt. »Ich habe den eindeutigen Beweis für Eure lüsternen Absichten‹ gesehen, Doktor. Erjagt mir aber wesentlich weniger Angst ein als die Aussicht auf eine Massenvergewaltigung.«
»Aber ich weiß gar nichts über dich …«
»Und ich weiß über Euch nur, dass Ihr gleich durchschaut habt, wie ich eine Infektion vortäuschte, um hierherzukommen, und dass Ihr mich bisher noch nicht gemeldet habt. Ich setze darauf, dass Eure Zurückhaltung bedeutet, dass Ihr ein anständiger Mensch seid. Ihr werdet daraufbauen müssen, dass ich auch einer bin.«
Einen Augenblick lang starrte er sie unschlüssig an, dann zeigte er auf das Tablett mit dem Chirurgenbesteck. »Das da, das lange mit dem Griff in der Mitte und den abgeflachten Haken an den Enden, neben den Skalpellen. Was ist das?«
»Ein Knochenhebel«, sagte sie mit absoluter Gewissheit. »Damit richtet man gebrochene Knochen wieder ein, und manchmal zieht man damit auch
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