Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
schon zufrieden, wenn er mich ignoriert«, seufzte Cydne. Dann reckte er männlich die Schultern. »Na dann, auf in den Kampf.«
Bevor ihn sein Mut verließ, wandte Cydne sich zur Tür und trat nach draußen, wobei Arkady einen kurzen Blick auf den Wachtposten auf dem Gang erhaschte – noch ein Beweis, dass er ihr nicht über den Weg traute. Sie hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss der Kajütentür drehte, und atmete tief durch.
Während Cydne mit dem Kapitän speiste, würde Arkady für mindestens ein oder zwei Stunden allein sein. Zeit, um sich in Ruhe zu waschen und sich die Haare zu bürsten. Zeit, um sehnsüchtig das Tablett mit den Skalpellen anzustarren und zu hoffen, dass sie ihr Wort hielt, weil sie ehrenhaft war und nicht einfach bloß ein Feigling.
Was machte es schon für einen Unterschied, ob sie tot war, wenn Cydne zurückkam?
Arkady trat an das Tablett heran und nahm die längste der gefährlich scharfen Klingen in die Hand. Vor zwei Wochen war sie bereit gewesen, alles zu riskieren für den Sekundenbruchteil einer Chance. Und nun stand sie hier, vor sich alle glänzenden, scharfen Todeswerkzeuge, die sie sich nur wünschen konnte, und überlegte hin und her, ob sie die Zeit nutzen sollte, um sich das Haar zu waschen oder nicht.
»Feigling«, sagte sie laut und legte das Skalpell aufs Tablett zurück.
Der Tod ist nur die letzte Zuflucht, tröstete sie sich selbst. Der allerletzte Ausweg aus einer unerträglichen Situation. Und ihre Lage war inzwischen längst nicht mehr so hoffnungslos. Sie war zwar immer noch eine Sklavin, aber immerhin diente sie nicht reihum als Mannschaftsmatratze wie die anderen Frauen aus den Sklavenkajüten. Sie stand unter Schutz, vor der Besatzung sicher, und auch wenn man nicht sagen konnte, dass sie unbehelligt blieb, war Cydne Medura doch so unerfahren und schüchtern, dass der Beischlaf hastig und stumm vonstattenging. Es dauerte immer nur ein paar verkrampfte Augenblicke, bis er sich mit der Finesse eines rammelnden Caniden in sie entleerte.
Arkady vergeudete ihre Energie nicht damit, sich wegen der Zeit in Cydne Meduras Koje zu grämen. Sie würde eben tun, was nötig war, um ihn bei Laune zu halten – dazu hatte sie sich blitzartig entschlossen, als sie sich seiner Gnade auslieferte, denn einem Einzelnen zu, Willen zu sein war wesentlich erträglicher, als die Willkür der ganzen Besatzung erdulden zu müssen. Die Gewissheit, dass sie das kleinere Übel gewählt hatte, erwies sich als dauerhafter Trost. Cydne Meduras stümperhafte Wollust bewahrte sie schließlich vor viel Schlimmerem als dem Gefummel eines äußerst unerfahrenen jungen Mannes, der genau betrachtet offenbar eine Todesangst vor ihr hatte.
Cydne hatte gesagt, er könne nicht gut mit Frauen umgehen, und Arkady merkte schnell, wie ernst er das gemeint hatte. Der junge Arzt – kurios, dass sie ihn immer als extrem jung empfand, obgleich er ein Jahr älter war als sie – stotterte, wurde rot und konnte ihr die meiste Zeit nicht in die Augen sehen. Er war erheblich weniger weltgewandt als seine neue Sklavin und, wie ihr bald klar wurde, geschlagen mit einer lähmenden Scheu vor Frauen.
Arkady lächelte und wandte sich von dem Instrumententablett ab. Gegenwärtig war es nicht mehr nötig, sich umzubringen. Solange Cydne Medura sie brauchte, um dem Hohn und der Verachtung der Besatzung zu entgehen, war sie nicht in Gefahr, von der Mannschaft missbraucht zu werden.
Vielleicht fand sie ja doch noch einen Weg, diesem ganzen Alptraum zu entfliehen.
Einige Stunden später kam Cydne in die Kajüte zurück, sein Gesicht gerötet von zu viel Wein. Beim Geräusch des Schlüssels im Schloss war Arkady sofort hellwach. Ihr innerer Alarm war so geschärft wie seit Jahren nicht mehr, seit sie in den Elendsvierteln von Lebec gelebt und einen sechsten Sinn für Gefahr entwickelt hatte. Sie sprang von der Koje, auf der sie gedöst hatte, und glättete hastig die Laken. Cydne erlaubte ihr, auf dem Untersuchungstisch zu schlafen, wenn er mit ihr fertig war; doch er wäre nicht erfreut, sie auf seiner Koje ausgestreckt zu finden.
»Du bist noch wach«, stellte er fest und fiel unsanft gegen die Tür.
Arkady konnte nicht sagen, ob ihn der Wein aus dem Gleichgewicht gebracht hatte oder das Schlingern des Schiffs. Sie hoffte Letzteres. Noch eine Lektion, die sie vor langer Zeit gelernt hatte: Betrunkenen war nicht zu trauen, selbst wenn sie sonst ganz umgängliche Leute waren.
»Alles in Ordnung?«
Cydne
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