Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
Mitgefühl für jemanden aufzubringen, der im Grunde ihr Kerkermeister war.
»Also, um das zu klären – wenn ich Euch Unterricht erteile, wie Ihr Eure junge Braut beglücken könnt, nehmt Ihr mich als medizinische Assistentin in Eure Dienste? Stimmt das so?«
Cydne nickte. »Ein fairer Handel, meinst du nicht?«
Arkady schüttelte den Kopf. »So kann nur ein Senestrer denken.«
Jetzt wurde er ungeduldig mit ihr. »Morgen früh legen wir an, Kady. Entweder wir haben eine Abmachung, oder du darfst jetzt zurück in dein Sklavenquartier und wartest dort ab, was das Schicksal morgen in Port Traeker für dich bereithält.«
So betrachtet blieb Arkady keine Wahl. Aber er verlangte viel von ihr. Das war nicht dasselbe wie dazuliegen und auszublenden, was mit ihrem Körper geschah, indem sie ihre körperlichen Empfindungen abschaltete. Sie hatte es überhaupt nur durchgestanden, weil es ihr gelungen war, so zu tun, als geschähe das alles gar nicht ihr, sondern einer Fremden.
Was er jetzt von ihr wollte, war anders. Nun war ihre aktive Mitwirkung gefragt. »Woher weiß ich, dass Ihr Euer Versprechen haltet?«
»Gezeiten, Frau! Dass ich dir überhaupt diese Möglichkeit anbiete, ist mehr, als du erwarten darfst!«
Das war die bittere Wahrheit, fürchtete Arkady. Das Problem war nur, dass sie in ihrem ganzen Leben nur ein einziges Mal eine sexuelle Erfahrung gemacht hatte, die sie als lustvoll gelten ließ. Und sie hatte nicht vor, die intimen Details dieser einen surrealen Nacht mit Cayal in den Shevronbergen wieder aufleben zu lassen, nur damit dieser verklemmte junge Mann in seiner Hochzeitsnacht seine Braut beglücken konnte.
Andererseits wollte sie auch nicht in die Bergwerke verschifft werden.
Arkady seufzte, als sie über diese unmögliche Entscheidung nachdachte. Sollte so ihr ganzes weiteres Leben aussehen?
Vielleicht ja auch nicht. Schließlich lagen immer noch direkt vor ihrer Nase diese Skalpelle auf dem Tablett.
»Wie heißt sie? Olegra, nicht wahr?« Feigling, schalt sie sich im Stillen.
»Ja«, nickte er.
»Dann ist das das Erste, was Ihr können müsst – ihren Namen sagen.«
»Was? Olegra?«
»So, als ob er Euch viel bedeutet«, sagte Arkady. »Als ob das Wort köstlich schmeckt, nach Lust und … fast schon nach süßer Qual. Ihr müsst es so sagen, als wäre die bloße Nennung ihres Namens ein Gebet und als huldigtet Ihr dem Altar ihres Körpers.«
»Wozu soll das gut sein?«, fragte er etwas verstimmt.
Arkady widerstand der Versuchung, ihm eine zu scheuern. »Es soll ihr das Gefühl geben, dass Ihr sie begehrt. Männer brauchen keine Liebe, um sich ihr Vergnügen bei einer Frau zu holen, sie wollen bloß irgendwo ihren Samen verschießen. Frauen sind aber nicht so. Um den Liebesakt wirklich zu genießen, müssen sie verführt werden, muss man ihnen schmeicheln. Sie brauchen das Gefühl, geschätzt zu werden, nicht nur ein zweckmäßiges Gefäß zu sein. Olegra muss das Gefühl haben, dass ihr sie noch aus anderen Gründen begehrt als wegen Verträgen, Fusionen oder aufregenden Handelsaussichten.«
Diese Neuigkeiten schienen für den jungen Mann eine Offenbarung. »Und das macht es lustvoller für Frauen? Dieser emotionale Aspekt?«
Einen Augenblick gestattete sich Arkady eine Erinnerung daran, wie es sich anfühlte, und mit dem Anflug eines Lächelns nickte sie. »Oh ja. So ist es viel besser.«
»Dann wirst du mich auch darin unterweisen, was ich sagen soll.«
Arkady nickte und holte tief Luft. »Dazu, Gezeiten noch mal«, sagte sie und begann ihren Kittel auszuziehen, »müsst ihr als Erstes lernen, ihren Namen auszusprechen, ohne daran herumzuwürgen.«
12
»Cecil, bring mir mehr Wein!«
Warlock verbeugte sich stumm und brachte die Karaffe an den Tisch, wo Lady Elyssa über ein Deck. Tarotkarten gebeugt saß und sie aufmerksam studierte. Draußen peitschte ein Unwetter den Regen gegen die Fenster, unterstrichen von gelegentlichen Blitzen und tiefem, fernem Donnergrollen. Hier in Caelum schien es ständig zu regnen, sogar noch mehr als in Glaeba, und der Palast, der hoch am Hang über Cycrane thronte, war ein düsteres, trostloses Gebäude, das die gnadenlose Feuchtigkeit auch nicht heiterer machte.
Warlock füllte ihr Weinglas auf und warf dabei unauffällig einen schnellen Blick auf die Karten. Überrascht bemerkte er, dass Elyssa das Tarot gar nicht zum Weissagen benutzte. Sie hatte alle zweiundzwanzig Karten der großen Arkana ausgelegt und ordnete sie nach einem ihm
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