Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
unverständlichen System. Die Unsterbliche sah kurz auf, als er sich näherte, dann ignorierte sie ihn wieder und sortierte weiter ihre Karten.
Als das Glas gefüllt war, verbeugte er sich erneut und zog sich auf seinen Posten neben der Tür zurück, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, dass ihre Spielerei ihn interessierte. Was natürlich geheuchelt war. Elyssa verbrachte jeden Tag Stunden damit, jede einzelne Karte des Tarots zu studieren, und Warlock war immer noch nicht dahintergekommen, wozu sie das tat. Dass er nicht herausfinden konnte, was sie ausheckte, machte ihn fast verrückt.
»In den Crasii-Legenden«, sagte Elyssa ohne Vorwarnung, »wer kam da zuerst, Cayal oder Jaxyn?«
»Ich glaube, es war Lord Jaxyn, Herrin«, sagte Warlock und hoffte, dass sie ihm nicht anhörte, wie ihn die unerwartete Frage verblüffte.
»Dann gehört der hier also dort hin«, sagte sie zu sich selbst und ordnete die Karten neu. Eine Zeitlang betrachtete sie sie reglos mit zusammengekniffenen Augen, starrte sie an mit einer Geduld, als hätte sie alle Zeit der Welt und nichts Besseres zu tun – was, wie Warlock einräumen musste, vermutlich der Fall war.
»Cecil, wer sind laut euren Legenden die Ersten gewesen?«
»Lord Kentravyon«, antwortete Warlock und hoffte, dass ihr sein leichtes Zögern nicht auffiel, »Lord Pellys und Lady Maralyce. Sie waren die Ersten.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht, Herrin.«
Elyssa spitzte die Lippen. »Und der Kristall des Chaos? Was weißt du über den?«
Warlock schüttelte den Kopf. »So etwas gibt es in unseren Legenden nicht, Herrin. Zumindest habe ich nie davon gehört.«
»Du kennst ihn vermutlich als den Tumultstein.«
Er schüttelte den Kopf. »Von so einem Stein weiß ich nichts, Herrin. Auch nicht von einem Kristall.« Aber ich wüsste nur zu gern, warum er dich so interessiert, fügte er stumm hinzu.
»Wie könntest du auch«, seufzte sie. »Der Kristall des Chaos war lange vor euch da. Hast du je einem anderen … Angehörigen meiner Art gedient?«
»Ich hatte nicht die Ehre, Herrin.«
»Du hast großes Glück, Cecil. Jeder Crasii auf Amyrantha würde töten, um in deiner Position zu sein.«
»Nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir ausmalen können, mit welchem Glück die Gezeiten mich einmal segnen würden«, erwiderte er und hoffte, dass sie ihm das wortwörtlich abnahm und die Ironie in seinen Worten nicht durchschimmerte.
Glücklicherweise wurde sie durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Warlock öffnete. Vor ihm stand Klecks, ein mürrischer Canide, dessen Name überhaupt nicht zu ihm passte. Er lebte schon seit seiner Welpenzeit im Palast von Cycrane.
»Ich habe eine Nachricht für meine Herrin«, verkündete Klecks.
Warlock trat zurück, um ihn einzulassen. Der dreifarbige Crasii betrat den Raum und verbeugte sich unterwürfig vor seiner Herrin. »Mylady, ich bin gekommen, um Euch darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Hündin angefangen hat zu werfen.«
Warlock erstarrte. Seine Rute verriet sein Interesse – und seine Besorgnis.
»Tabitha Belle?«, fragte Elyssa und sah von den Karten auf.
»Jawohl, Herrin.«
»Oh, fein!«, rief die Gezeitenfürstin. »Ich liebe es, zuzuschauen, wie sie geboren werden. Wie weit sind sie?«
»Der Zwingermeister sagt, innerhalb der nächsten Stunde dürfte es so weit sein, Mylady.«
Elyssa stand vom Tisch auf und lächelte erfreut. Ihre Begeisterung über die bevorstehende Geburt seiner Kinder machte Warlock große Sorgen. Elyssa zeigte ein ungewöhnliches Interesse an ihrer Zukunft. Sie hatte sich mit ihrem Bruder gestritten, um die schwangere Sklavin behalten zu dürfen, und sogar den Wünschen ihrer Mutter getrotzt, als Syrolee versuchte, sich zu Tryans Gunsten einzuschalten.
Aber warum? Warlock konnte sich nicht vorstellen, was sie im Sinn hatte. Warum bist du so interessiert an meinen Kindern, wo doch deine Zwinger dir alle Welpen liefern können, die du nur willst …
»Cecil, hörst du nicht?«
»Herrin?« Er schrak zusammen, als er merkte, dass seine Besorgnis ihn abgelenkt hatte.
»Ich sagte – willst du mit runter zum Zwinger kommen und zuschauen, wie deine Welpen geboren werden?«
»Selbstverständlich, Herrin.«
»Dann gehen wir alle zusammen«, verkündete sie und klatschte in die Hände. »Eine kleine Abwechslung wird uns nur guttun.«
Warlock folgte Elyssa und Klecks durch den Palast und in den Hof hinunter, wo der unerbittliche Regen die Pflastersteine gefährlich glitschig
Weitere Kostenlose Bücher