Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
Informationen überhaupt zu ihnen gelangen.« Sie legte Missy an die andere Brust, und als die Kleine zufrieden weiternuckelte, fügte sie hinzu: »Nicht, dass du ihnen viel erzählen könntest. Außer natürlich“ wo du die Leichen gelassen hast.«
»Ich habe noch mehr zu berichten. Da die kleine Prinzessin weiterhin unauffindbar ist, arbeitet Syrolee daran, sie für tot erklären zu lassen.«
»Keine Prinzessin, keine Hochzeit«, sagte Boots mit einem Schulterzucken. »Keine Hochzeit, keine Thronübernahme. Wo liegt das Problem?«
»Ich war anwesend, als sie gestern über das Thema berieten. Tryan hat angeregt, die Königin solle doch noch eine Tochter zur Welt bringen, um ihre Krone weiterzureichen.«
»Na also, das verschafft uns doch mindestens neun Monate Zeit.«
»Du verstehst es nicht«, widersprach er gedämpft. Auch wenn sie allein in ihrer Zelle und die Wände mehrere Fuß dick waren, wollte er kein Risiko eingehen, dass diese Unterhaltung zufällig belauscht wurde. »Tryan hat der Königin einen Antrag gemacht, und angesichts der ungeklärten Thronfolge und dem äußerst nervösen Kronrat, der sich Sorgen um die Zukunft des Landes macht, fürchte ich, dass sie darauf eingeht.«
»Selber schuld, wenn sie so blöd …«
»Nein, du verstehst es immer noch nicht, Boots. Tryan braucht der Königin doch gar kein Kind zu machen. Er muss sie bloß ehelichen. Damit gehört ihm der Thron praktisch schon.«
Boots atmete tief durch. »Wir hätten niemals herkommen dürfen«, sagte sie und streichelte Missys Stirn. »Ich weiß nicht, wieso wir uns von diesen Spinnern aus dem Verborgenen Tal haben breitschlagen lassen.«
»Weil du die Suzerain genau so sehr hasst wie ich«, mahnte er leise. »Du wolltest mithelfen, sie zu Fall zu bringen.«
»Toll, und jetzt hocke ich hier mit meinen Kleinen, denen die unsterbliche Jungfrau die schlimmsten Namen der Welt verpasst hat, während mein Gefährte für sie Leichen beseitigt. Ich muss sagen, die Sache läuft nicht gerade wie geplant.«
»Es tut mir so leid, Boots.« Er streckte die Hand aus, um sie zu streicheln. »Ich würde alles dafür geben, wenn ich nur die Zeit zurückdrehen und Declan Hawkes sagen könnte, wohin er sich seine Bruderschaft und ihre hochtrabenden Pläne zur Rettung der Welt stecken kann.«
Boots nickte zustimmend, und ausnahmsweise wich sie seiner Berührung nicht aus. »Na gut, dann sieh mal zu, dass du einen Weg findest, deine Familie zu retten, Hofhund. Die verdammte Bruderschaft des Tarot kann ruhig mal auf sich selbst aufpassen.«
20
Als Declan in Elvere eintraf, erholte man sich dort noch von den Folgen eines für die Jahreszeit ganz abnormalen Unwetters, das in einem Großteil der Stadt schwere Schäden angerichtet hatte. Der Anleger, an dem sein Schiff festgemacht hatte, war nur behelfsmäßig in Stand gesetzt. Viele Gebäude waren nach wie vor ohne Dach, und die zur Abdeckung der klaffenden Löcher benutzten Persennings knatterten in der steifen Brise, die vom Hafen herüberblies.
Declan machte sich auf ins Stadtzentrum. Er hoffte mit einem Mitglied der Bruderschaft Fühlung aufzunehmen, der im Tuchviertel ein Geschäft besaß. Als Schneider von gutem Ruf hatte der Mann einen ausgedehnten Kundenkreis in der Stadt und war somit in der Lage, Botschaften zwischen Fremden zu vermitteln, ohne deswegen ins Gerede zu kommen. Als Declan endlich auf das Geschäft stieß, fand er jedoch nur noch eine Ruine vor. Das Gebäude war offensichtlich überflutet worden. Auf dem Fußweg vor dem Laden lag ein Haufen gallertartiger, übel stinkender Masse, vielleicht einst Stoffballen, die der Schneider Polio in seinem Geschäft gelagert hatte.
»Er ist zu seiner Mutter gezogen.«
Declan drehte sich um und sah einen kleinen Jungen vor sich, der ihn am Ärmel zupfte. Er konnte kaum älter als acht oder neun Jahre sein.
»Was?«
»Der Schneider. Herr Polio. Er ist zu seiner Mutter gezogen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil er es mir gesagt hat«, antwortete der Junge. »Für ’n Stück Kupfer erklär ich Euch, wie Ihr hinkommt.«
Declan lächelte über den Geschäftssinn des Bürschchens. »Ach, wirklich?«
»Für ’n Stück Silber bring ich Euch sogar hin.«
Declan fischte in seiner Tasche nach einer Silberdukate und hielt sie hoch, doch als der Junge Zugriff, zog Declan seine Hand rasch außer Reichweite. »Die kriegst du, sobald wir am Haus von Meister Pollos Mutter sind.«
Der Junge funkelte ihn kurz an und zuckte dann die
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