Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
die Wahrheit über Warlock und mich geahnt hat. Ich glaube allerdings, dass sie bei ihm nie misstrauisch geworden wäre – er ist zu gut darin, wie ein richtiger Gemang zu schleimen, als dass sie hätte draufkommen können. Aber mich hat sie manchmal angesehen, als ob sie etwas ahnte.«
»Da hast du aber Glück, dass sie dich nicht getötet hat, wenn sie etwas ahnte.«
»Warum sollte sie?«, fragte Boots und sah Declan über die Schulter an. Ihr Atem gefror im Mondlicht. »Es macht doch viel mehr Spaß zu warten, bis sie älter sind, und mich dann von meinen eigenen Kindern zerreißen zu lassen, als kleine Lektion.«
Da hatte sie vermutlich recht, fürchtete Declan. Simples Töten hatte für eine abgebrühte Unsterbliche kaum noch Unterhaltungswert. Ein Mord schmeckte schließlich viel besser, wenn man ihn mit der zusätzlichen Würze einer ironischen Pointe genoss. Er sparte es sich allerdings, das laut zu sagen. Boots hatte sicher schon genug Albträume, wenn sie befürchten musste, ihre Babys könnten hörige Crasii sein und sie eines Tages an die Unsterblichen verraten.
Warlock musste gerochen haben, dass er kam. Der große Canide stand auf der Veranda der kleinen Hütte, als sie den Pfad hochkamen. Die Rute aufgerichtet, die Brust herausgestreckt – das war die drohende Haltung eines dominanten Männchens, das schützen will, was zu ihm gehört. Declan musste auch nicht erklären, wer er war. Das Verborgene Tal war eine kleine Gemeinde. Warlock hatte vor Stunden erfahren, dass ein Unsterblicher in ihr Heiligtum eingedrungen war und – wichtiger – welcher Unsterbliche das war.
»Was bringst du ihn hierher?«, fragte Warlock unwirsch. Declan blieb am Fuß der Treppe stehen.
Boots stieg die Stufen hoch. »Ich will, dass er sich die Kinder ansieht.«
»Nein.«
Auf der letzten Stufe unter Warlock hielt Boots an und blickte zu ihm auf. »Ich muss es wissen, Hofhund.«
Warlock hatte darauf keine Antwort. Er sah Declan über Boots* Kopf hinweg an, sein Blick kalt und abweisend. »Euretwegen wird meine Familie niemals sicher sein.«
Declan war nicht sicher, ob er eine Diskussion über diese Frage gewinnen konnte. Er begnügte sich mit einer Entschuldigung. »Es tut mir leid, ich wollte dir oder deiner Familie nie Schaden zufügen, Warlock.«
Der Canide lächelte ohne jeden Humor auf ihn herunter. »Wisst Ihr was, das glaube ich Euch sogar, Hawkes. Ich denke, Ihr habt einfach keinen Gedanken an uns verschwendet. In Eurer menschlichen Arroganz habt Ihr Euch nie auch nur die Frage gestellt, was Boots und mir passieren könnte. Warum solltet Ihr Euch Sorgen um ein paar Viecher machen, nur weil Eure Pläne uns in Gefahr bringen?«
Als er noch sterblich war, hätte Declan diesen Caniden vielleicht gefürchtet. Mit Sicherheit bewunderte er den unerschütterlichen Willen dieses Kerls, der ihn grimmig anstarrte. Beim Blickduell einem Unsterblichen standzuhalten war für keinen Caniden eine Kleinigkeit, ob Crasii oder Ark.
Declan gab auf und wandte sich entschuldigend an Boots. »Es tut mir leid. Ich bin hier eindeutig nicht willkommen. Ich gehe.«
»Nein!« Boots packte seinen Arm. »Ihr müsst Euch meine Kinder ansehen.«
»Sie schlafen«, sagte Warlock.
»Wir müssen Gewissheit haben.« Sie sah ihren Gefährten fest an.
»Dann lass ihn morgen wiederkommen, wenn sie wach sind.«
Kaum hatte Warlock ausgesprochen, da erscholl ein jämmerliches Winseln aus dem Inneren der Hütte. Eilig huschte Boots an Warlock vorbei hinein. Declan rührte sich nicht. Warlock war vielleicht nicht fähig ihn zu töten, aber der Canide konnte ihm ernste, sehr schmerzhaft verheilende Verletzungen zufügen, wenn er angriff.
Ein paar Augenblicke später öffnete sich die Hüttentür erneut, und Boots trat auf die Veranda, einen zwei oder drei Monate alten Welpen auf dem Arm. Obwohl in der Dunkelheit nicht viel zu erkennen war, schimmerte sein Fell in sattem Kastanienbraun. Es kratzte ungeschickt am Verschluss von Boots' Mantel, aufgeregt auf der Suche nach Milch. War lock trat zwischen Declan und Boots.
»Verschwinde, Suzerain. Du hast genug angerichtet. Ich werde nicht zulassen, dass du zur Krönung deiner übrigen Taten noch meine Familie zerstörst.«
Declan nickte. »Wie du wünschst.«
Er wandte sich zum Gehen.
»Wartet!«, schrie Boots.
Declan wandte sich noch einmal zu ihr um. Boots hatte den Welpen auf der Veranda abgesetzt. »Ruft sie.«
Warlock schüttelte den Kopf. »Boots, bitte, tu das nicht. Tu das unseren
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