Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
Kindern nicht an. Tu das uns nicht an.«
Boots beachtete ihren Gefährten nicht, den Blick unbeirrt auf Declan gerichtet. »Ruft sie. Bitte.«
Sowenig Declan in einen Hauskrach der beiden Caniden verwickelt werden wollte, so sehr berührte ihn der gepeinigte Klang von Boots* Forderung. An ihrer Stelle würde er vermutlich auch die Wahrheit wissen wollen.
»Wie ist ihr Name?«
»Missy.«
Die winzige Canide hockte frierend zu Füßen ihrer Mutter. Declan machte einen Schritt auf die Hütte zu. Sofort richtete der Welpe die Rute auf und sah sich suchend um. Gleich darauf fixierte sich sein Blick auf Declan, und die Rute begann freudig zu wedeln.
»Missy, komm her«, sagte er. Nicht sicher, ob sie ihn verstehen konnte, verstärkte er den Ruf durch lockende Gesten mit der Hand. Ohne Zögern krabbelte die Kleine auf die Stufen zu, ganz offensichtlich einem inneren Zwang folgend, den unsterblichen Meister zu erreichen. Declan war kein Experte für Crasii, aber er konnte sich keinen natürlichen Grund vorstellen, aus dem ein wenige Monate altes hungriges Stillkind die Gegenwart eines völlig Fremden der seiner Mutter vorziehen sollte.
Warlock schnappte sich Missy, bevor sie die Stufen hinunterpurzeln konnte, und drückte sie an seine Brust, wo sie prompt versuchte, sich freizustrampeln und Declan zu erreichen.
»Es tut mir leid, Warlock.«
»Verschwinde, Suzerain«, sagte Warlock mit Tränen in den Augen. »Verschwinde und komm nie wieder hierher.«
Declan sparte sich jede Entgegnung. Voller Mitgefühl für den Schmerz des Caniden kehrte er auf dem Absatz um und schritt davon. Er fragte sich, wie viele Familien auf diese Art zerrissen sein würden, wenn er morgen aufbrach.
43
Eingewickelt in einen schweren Umhang aus dem Fell eines jelidischen Schneebären, eine weiße Pelzmütze bis tief über beide Ohren gezogen, um sie vorm eisigen Wind zu schützen, so zeichnete sich Arkadys Gestalt einsam am Bug des Bootes ab. Sie sah zu, wie das schwarze Wasser vorbeirauschte, als die Amphiden sie nach Süden Richtung Weißwasser zogen. Auf den Großen Seen trieben noch immer unzählige Eisschollen, Überbleibsel der geborstenen großen Eisdecke. Das Ufer zog sich entfernt als weißer Streifen am Horizont entlang.
Obgleich sie ganz gut Strecke machten, verdross die Geschwindigkeit der Barke Cayal. So, wie sie vorankamen, würde es noch mehrere Tage bis zur Küste dauern. Und mehr als einen Monat, bis sie endlich Jelidien erreichten. Bei ungünstigem Wetter sogar noch länger. Und unter solchen Bedingungen zu schwimmen forderte einen entsetzlichen Tribut von den Amphiden, die die Barke durchs eisige Wasser zogen. Manche von ihnen hielten nicht mal einen Tag durch. Aber die Gezeitenfürsten konnten nichts unternehmen, um ihre Reise zu beschleunigen. Obwohl die kosmische Flut bereits einen Hochstand erreicht hatte, den Cayal bisher so nicht kannte, kam es mit dem Kristall des Chaos in so unmittelbarer Nähe nicht infrage, Gezeitenmagie einzusetzen.
Cayals Füße rutschten ein paarmal weg, als er über das vereiste Deck nach vorne schlenderte. Er fragte sich, ob sich Arkady hier in der Kälte aufhielt, um ihre Ruhe vor den anderen zu haben, oder ob sie vielleicht vorhatte, über Bord zu springen, um allem ein Ende zu setzen. Irgendwie bezweifelte er Letzteres. Arkady war zu vielem fähig, aber – im Gegensatz zu ihm – wohl kaum zum Selbstmord.
»Na, du denkst wohl, wenn du den Amphiden zuschaust, werden sie schneller?«
Sie drehte sich bei seiner Frage zu ihm um, doch witzig fand sie sie offenbar nicht. »Es ist grausam, sie in so kaltem Wasser schwimmen zu lassen, Cayal.«
»Sie atmen nur, um uns zu dienen«, scherzte er und bereute seine Worte, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. Sie lächelte nicht. Wenn es um Crasii ging, hatte Arkady schon immer ein weiches Herz gezeigt. Er seufzte entschuldigend. »Gezeiten, das war ein Scherz, Arkady. Sieh mich bitte nicht so an.«
»Das ist kein Scherz, Cayal. Das ist es, was euch Leute zu Monstern macht.«
Er lehnte sich neben sie an die Reling. »So, ich bin jetzt also ›euch Leute‹, ja?«
»Wie geht es deiner Verlobten?«, konterte sie.
Die Schärfe in ihrer Stimme ließ wenig Spielraum für Unklarheiten, was ihre Meinung zu seinem Arrangement mit der Unsterblichen Jungfrau betraf. »Meine Beziehung zu Elyssa ist doch nur Mittel zum Zweck, Arkady. Du musst deshalb nicht eifersüchtig sein.«
Arkady lachte auf und schüttelte den Kopf. »Eifersüchtig? Ist das
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