Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
Hier war die Gegenwart der beiden Gezeitenfürsten deutlicher zu spüren, da das Eis der Stockwerke über ihm die Interferenzen der anderen abschirmte. Er folgte einem von Fackeln erhellten Gang und kam nun an den Vorratskammern vorbei, die er hier zu finden erwartet hatte. An den eisigen Wänden reflektierten Regenbogenprismen aus gebrochenem Licht den flackernden Feuerschein. Immer stärker spürte er Maralyce’ und Lukys’ Gegenwart, obwohl die Wahrnehmung weiterhin seltsam dumpf blieb.
Und dann, Declan war schon so lange geradeaus gegangen, dass er sich allmählich fragte, ob er sich überhaupt noch unter dem Palast befand, erreichte er eine weitere Treppe, die nach unten führte. Ihre Stufen glommen in einem hellen, grünlich schimmernden Licht, das von überallher zu kommen schien.
Sowie er anfing, die breiten gewendelten Stufen hinabzusteigen, nahm er die beiden anderen Gezeitenfürsten schärfer wahr. Ermutigt stieg er weiter abwärts, es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Wie tief unter der Erde mochte er wohl sein?
Noch bevor er die zwei Unsterblichen zu Gesicht bekam, hörte er sie sprechen. Die einzigartige Akustik der gewundenen Treppe trug ihre Stimmen kristallklar bis zu ihm.
»… wird das reichen?«, hörte er Maralyce fragen.
Declan blieb stehen. Er konnte Lukys und Maralyce in den Gezeiten spüren, aber er hoffte, dass sie von ihrem Gespräch zu sehr in Anspruch genommen waren, um ihn zu bemerken.
»Es sind fast doppelt so viele wie letztes Mal«, hörte er Lukys antworten.
»Was redest du denn da?« Maralyce klang ungeduldig. Declan war nicht sicher, ob das etwas zu bedeuten hatte, denn Maralyce klang eigentlich immer ungeduldig. »Durch das Hinzukommen von Cayal und Declan erreichst du noch lange keine Verdoppelung. Arryls und Taryx’ Beitrag ist bestenfalls minimal. Selbst zusammen haben sie bei Weitem nicht die Kraft eines echten Gezeitenfürsten. Wenn Medwen und Ambria mitgekommen wären, wie du im Vorfeld behauptet hast, hätte es vielleicht einen Unterschied gemacht …«
»Ich habe sie ja eingeladen. Aber sie wollten nicht mit zu unserer kleinen Festlichkeit.«
»Sie wären vielleicht gekommen«, knurrte Maralyce, »wenn Cayal ihnen nicht erzählt hätte, dass er ihre Hilfe braucht, um sich umzubringen. Was hat er sich bloß dabei gedacht?«
»Er sollte nichts dergleichen sagen«, antwortete Lukys. »Wir hatten eine völlig plausible Geschichte vorbereitet, dass ich gewisse Experimente mit den Gezeiten durchführen wollte. Aber irgendeine Sterbliche, mit der sich Cayal in Glaeba eingelassen hat, hat wohl die Katze aus dem Sack gelassen.«
Maralyce schwieg einen Augenblick. »Und was machen wir jetzt?«
Declan lehnte sich an die eisige, schwach glimmende Wand und richtete sich darauf ein, eine äußerst erhellende Konversation zu belauschen.
»Wir brauchen noch einen Gezeitenfürsten.«
»Dann glaubst du wirklich, dass es diesmal klappen kann?«
»Ich habe schon daran gedacht, Elyssa für unser Vorhaben zu rekrutieren«, gab Lukys zurück, ohne wirklich auf Maralyce’ Frage zu antworten. »Angesichts deiner Neuigkeiten liegt das jetzt noch näher. Oder vielmehr müsste man Cayal dazu bringen, dass er sie fragt. Sie würde keinen Finger rühren, um dir oder mir zu helfen, aber sie würde barfuß durchs Feuer laufen, wenn sie hoffen könnte, damit endlich Cayal in ihr Bett zu kriegen.«
»Warum nicht Brynden?«
»Weil er eine aufgeblasene, selbstgerechte Nervensäge ist«, antwortete Lukys' körperlose Stimme. »Ich habe keine Lust, die Ewigkeit damit zu verschwenden, dass ich mir wieder und wieder sein endloses Gesülze über unseren ach so falschen Umgang mit unserer Unsterblichkeit anhören muss.«
»Aber bestimmt kann einer der anderen –«
»Wer denn? Tryan? Jaxyn?«, unterbrach Lukys. »Tryan ist ein sadistischer Egomane und Jaxyn ein gewissenloser fauler Tunichtgut. Elyssa ist zwar eine engstirnige Kuh, das gebe ich unumwunden zu, aber für unsere Zwecke ist sie wahrscheinlich noch die Beste von dem ganzen Sauhaufen hier.«
»Ich habe Elyssa eigentlich immer für ein selbstsüchtiges ewiges Kind gehalten«, sagte Maralyce.
»Aber wir sind doch alle selbstsüchtige ewige Kinder«, meinte Lukys wegwerfend. »Stimmt s nicht, Declan?«
Declan seufzte. Ihm hätte klar sein müssen, dass Lukys seine Anwesenheit bemerkt hatte. Er stieß sich von der Wand ab, ging weiter die Stufen hinab und war überrascht, ein Licht vor sich zu sehen, das viel zu hell schien, um aus
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