Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
sagen wir ihr das einfach nicht.«
Sie schüttelte den Kopf und stieß ihn weg, so weit es auf der engen Koje möglich war. »Gezeiten, Cayal, hast du denn gar kein Gewissen?«
»Nicht dass ich wüsste«, sagte er, in besserer Laune, als Arkady ihn seit langer Zeit gesehen hatte. »Und bevor Ihr anfangt, mir meine moralische Verkommenheit vorzuwerfen, Euer Heiligkeit, darf ich Euch daran erinnern, dass Ihr hier neben mir liegt, so nackt, wie Gott Euch schuf, und mit Begeisterung mitgemacht habt?«
»Moralisch verkommen bist du auch ohne mich, Cayal«, sagte sie, ein wenig verärgert darüber, dass er versuchte, etwas von seiner Schuld für diese dumme Eskapade auf sie abzuwälzen.
Warum habe ich nicht Nein gesagt? Warum habe ich ihn nicht weggeschickt, als er letzte Nacht angefangen hat, mich zu küssen?
Arkady kannte den Grund. Sie hatte gefroren, war zerfressen von Schuldgefühlen, hatte Angst gehabt und war einsam gewesen, und Cayal hatte so ein spezielles Talent, ihr immer dann Trost anzubieten, wenn sie am verwundbarsten war.
»Und nur damit du s weißt, ich liege hier bloß mit dir, weil du Hitze abstrahlst wie ein wandelnder Schmelzofen und ich erfrieren werde, sobald ich aus diesen Decken heraus bin. Warum konnten du und deine wahnsinnigen Freunde eure magische, kristallbetriebene Todeskammer für Unsterbliche nicht irgendwo bauen, wo es warm ist?«
»Es hat irgendwas mit der Nähe zu den magnetischen Polen zu tun«, sagte er. »Willst du mich jetzt die ganze Zeit mit dem Wetter nerven?«
»Unbedingt.«
»Vielleicht erlaube ich Elyssa doch, dich umzubringen«, sagte er lächelnd.
Arkady beäugte ihn argwöhnisch. »Cayal, gibt es eigentlich einen besonderen Grund dafür, dass sie mich töten will?«
»Du kennst doch den Grund«, sagte er. »Sie denkt, ich stehe auf dich. Sie ist eifersüchtig.«
»Warum hat sie mich dann nicht schon längst getötet?«
»Weil ich sie gebeten habe, es nicht zu tun.«
»Und der andere Grund?«
»Welcher andere Grund?«
»Der wirkliche Grund, warum Elyssa mich am Leben lässt.« Arkady drehte sich auf die Seite und stützte sich auf einen Ellbogen, damit Cayals Mienenspiel ihr nicht entging. »Elyssa brennt darauf, mich loszuwerden, Cayal. Das merke ich jedes Mal, wenn sie mich ansieht. Und doch lässt sie mich am Leben. Warum?«
»Du trägst den Kristall des Chaos für uns.«
»Dafür hättet ihr auch jemand in Glaeba anstellen können. Ihr braucht nicht mich, nur einen kooperativen Menschen, der die Gezeiten nicht berühren kann.«
Einen Augenblick sah Cayal schuldbewusst zur Seite, dann zuckte er die Achseln. Offenbar hatte er entschieden, dass es doch nicht schaden konnte, wenn sie die Wahrheit erfuhr. »Nun … das könnte daran liegen, weil ich ihr … sozusagen … deinen Körper versprochen habe.«
Arkady war nicht sicher, was er damit meinte. Wenn Elyssa am anderen Ufer unterwegs war, hatte Arkady bisher keine Anzeichen dafür mitbekommen. »Ich dachte, du hast gesagt, dass sie auf Männer steht?«
»Ich meine das wörtlich«, berichtigte er etwas zögerlich.
»Ich verstehe nicht, Cayal.«
Er seufzte, das Thema war ihm sichtlich unbehaglich. »Ah … also … es ist so. Lukys’ Angebot, mir zu helfen, ist, wie ich neulich entdeckt habe, nur das Nebenprogramm für den Hauptakt. Was er eigentlich will, ist, Corons Bewusstsein in einen menschlichen Körper zurück zu übertragen. Tja, und als ich versucht habe, Elyssa dazu zu bringen, dass sie mir sterben hilft, muss ich wohl … nun ja, ich habe vielleicht angedeutet, dass ich ihn als Gegenleistung bitten würde, das Gleiche für sie zu tun.«
Arkady runzelte die Stirn, sie verstand kein Wort. »Nur damit ich das recht verstehe. Lukys will das Bewusstsein seiner Ratte in einen menschlichen Körper übertragen – Gezeiten, ich will lieber gar nicht darüber nachdenken, wie er auf so etwas kommt –, und also hast du Elyssa gesagt, dass er das Gleiche für sie tun könnte – mit meinem Körper?«
Der unsterbliche Prinz nickte und riskierte ein vorsichtiges Lächeln. »Es wird nicht klappen. Ich meine, du hast doch keine Unsterblichen in der Familie, der Prozess würde dich wahrscheinlich sowieso töten. Wahrscheinlich wird Lukys es gar nicht erst versuchen. Du musst dir da gar keine Sorgen machen …«
»Keine Sorgen machen? Bist du wahnsinnig? Ach ja, das bist du ja wirklich, nicht wahr?«, sagte sie und gab ihm keine Gelegenheit zu antworten. »Was hat dich bloß geritten, ihr so etwas zu
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