Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
klapperten beim Sprechen. Sie war hier die Einzige, die die knochenklirrende Kälte des Eises zu spüren bekam.
»Gezeiten«, bemerkte Maralyce von hinten mit einem spöttischen Auflachen. »Ich glaube, allmählich begreife ich, wie furchtbar verzweifelt du sein musst, Cayal.«
Er blieb stehen und funkelte seine Dreierbegleitung an. Er fühlte sich missverstanden. Er hatte Elyssa Arkadys Körper angeboten, um ihr Leben zu retten und nicht zu vernichten. »Gezeiten, ich wollte nur helfen. Und du weißt das, Arkady. Also hör auf, mir hier alles in die Schuhe zu schieben. Ja, ich hab dich Elyssa versprochen, aber Lukys weiß, dass das nicht klappen wird. Ich musste sie doch nur glauben lassen, dass wir es versuchen. Mehr nicht.«
»Verstehe ich dich richtig? Wenn wir den Spalt öffnen, soll ich kurz die gewaltigste Gezeitenbündelung aller Zeiten unterbrechen, um Elyssa meine Hilfe vorzutäuschen, damit sie dir hilft?«, fragte Lukys.
»Ahm … ja.«
Lukys schüttelte den Kopf. Ohne etwas zu sagen, setzte er den Weg mit Arkady an seiner Seite fort. Maralyce stieß Cayal von hinten an, damit er weiterging. »Du bist ein Idiot, Cayal.«
»Ich bin ein Idiot?«, murmelte er vor sich hin und sah den anderen nach, die die Treppe zum Eissaal hinabstiegen.
Schließlich gab er sich einen Ruck und folgte in einigem Abstand dem Lichtkreis von Lukys’ Fackel. Er war reichlich verdrossen über den Mangel an Einfühlung ausgerechnet vonseiten des Mannes, der beteuert hatte, Cayals Schmerz so gut zu verstehen, dass er sogar bereit war, ihm zum Tod zu verhelfen.
Gleich darauf hörte Cayal Arkadys Reaktion, als sie zum ersten Mal das spektakuläre, vom Feuerring erleuchtete Eisgewölbe unter dem Palast erspähte. Ihr verblüfftes Aufkeuchen drang die Treppe herauf.
»Gezeiten …«
»Eindrucksvoll, nicht wahr?« Cayal hörte deutlich das Lächeln in Lukys’ Stimme. Er war wirklich außerordentlich stolz auf sein verflixtes Gewölbe.
»Womit genau speist Ihr dieses Feuer?«
»Mit Methan, das im Eis eingeschlossen ist.«
»Es ist … fantastisch!«
Als Cayal am Fuß der Treppe anlangte, hatten Arkady, Maralyce und Lukys das riesige Gewölbe auf dem Weg zum Altar schon fast zur Hälfte durchquert. Cayal folgte ihnen, mittlerweile unbeeindruckt vom Feuerglanz im Eis. Aber er sah, wie Arkadys Kopf sich staunend von rechts nach links und wieder zurück drehte. Offenbar war sie mächtig beeindruckt. Er schloss zu ihnen auf, als sie den großen Eisblock in der Mitte des Gewölbes erreichten und stehen blieben.
Erst jetzt bemerkte Cayal, dass auf dem Altar Oritha lag, die Hände über der Brust gekreuzt, als schliefe sie friedlich.
»Setzt den Kristall neben ihrem Kopf ab«, instruierte Lukys Arkady.
Sie beäugte misstrauisch die auf den Altar drapierte Frau, sagte aber nichts. Cayal fragte sich, ob es ihr einfach gleichgültig war, ob sie nicht zu fragen wagte oder ob sie vielleicht einfach lieber gar nicht wissen wollte, wodurch die junge Frau in dieser Verfassung war.
Cayal seinerseits fand keinen Anlass zu solcher Zurückhaltung. »Das ist doch deine Gemahlin?«
Lukys nickte. »Ist sie nicht wunderschön?«
»Was macht sie hier?« Cayal hatte schnell erkannt, dass sie nicht schlief. Was immer Oritha auf diesem Altar machte, er bezweifelte, dass sie es aus freien Stücken tat. »Tot.«
»Sie ist nicht tot«, blaffte Lukys.
»Sie ist für den Transfer vorbereitet«, sagte Maralyce und strich der jungen Frau sanft übers Haar. »Wenn noch irgendwelcher Widerstand da wäre, würde die Übertragung scheitern. In diesem Zustand aber ist sie so tief bewusstlos, dass sie rein gar nichts merken wird.«
Während sie sprachen, wickelte Arkady vorsichtig den Kristall aus und stellte ihn in die Nähe von Orithas Kopf. Als sie fertig war, trat sie einen Schritt zurück. Sie sah sehr erleichtert aus. »Und nun?«
»Nun warten wir auf den Höchststand der kosmischen Flut«, sagte Lukys.
»Wie lange dauert das noch?«
»Hoffentlich nicht mehr lange«, warf Maralyce ein. »Oritha durchleidet jedes Mal große Schmerzen, wenn wir gezwungen sind, sie zurückzuholen. Aber sie ist noch nicht unsterblich, und diese Tiefkühlung könnte ihr Schaden zufügen, wenn wir nicht bald loslegen.«
»Was geschieht mit mir?«, fragte Arkady und sah alle drei nacheinander an.
»Ich denke, Ihr solltet Euch jetzt von allen verabschieden, meine Liebe«, sagte Lukys und lächelte gönnerhaft.
»Ihr lasst mich gehen?«, fragte Arkady
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