Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
Auf unsere Art in den Gezeiten zu reisen erfordert so viel Kraftaufwand, dass man sie leicht übersieht -es sei denn, man passt höllisch auf. Und du hast offensichtlich nicht aufgepasst.«
»Aber wenn du gewusst hast, dass so etwas passieren kann, warum hast du mir nicht Bescheid gesagt, Cayal?«
Cayal zuckte die Achseln. »Hätte ich wohl tun sollen. Ich vergesse immer, wie unsäglich dumm du bist. Tut mir leid.«
Declan unterdrückte das Verlangen, es Cayal mit den Fäusten heimzuzahlen, und beschloss, es für dieses Mal gut sein zu lassen. Stattdessen wandte er sich an Kentravyon. »Wenn Brynden diese Falle aufgestellt hat, weiß er also, dass wir hier sind?«
»Ohne jeden Zweifel«, bestätigte Kentravyon.
»Was wird er tun?«
»Kommt drauf an, was hier in Torlenien sonst so los ist, schätze ich«, sagte Cayal, bevor Kentravyon antworten konnte. »Er weiß ja nicht, wer über seine Falle gestolpert ist. Vielleicht kommt er nicht mal nachsehen, wenn er anderweitig beschäftigt ist.«
»Vielleicht schickt er Kinta«, meinte Kentravyon. »Eine stolze Kriegerin, unsere Kinta«, setzte er mit einem Lächeln hinzu. »Sollte ich je eine Göttin suchen, gäbe es sicher schlechtere als sie.«
»Schlag es dir aus dem Kopf«, sagte Cayal mit einem Hauch von Bitterkeit in der Stimme. »Sie lohnt den Ärger nicht. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung.«
Kentravyon blickte ihn neugierig an. »Lukys erwähnte Kinta, als er mich auf den Stand brachte, was ich in den letzten Äonen so alles verpasst habe. Du hast sie Brynden ausgespannt, richtig? Oder entfuhrt? Irgend so was?«
»Ich hab sie ihm nicht ausgespannt. Sie wollte ihn partout verlassen.«
»Da war er bestimmt nicht sonderlich froh.«
Declan konnte sich bei Kentravyons milder Feststellung ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er setzte sich hin und versuchte, seine durchnässten Stiefel auszuziehen. »Nach allem, was ich gehört habe, ist das eine gelinde Untertreibung.«
Cayal starrte ihn finster an. »Du warst nicht dabei, Ratz. Damals warst du noch nicht mal auf der Welt, also behalt deine dümmliche Meinung gefälligst für dich.« Der unsterbliche Prinz wandte sich an Kentravyon. »Ganz gleich, wie das hier ausgeht, wir wären gut beraten, aus Torlenien zu verschwinden, bevor er aufkreuzt. Es stimmt schon, die Gezeiten steigen höllisch schnell. Ich bezweifle, dass wir Zeit für ein Anpissturnier mit Brynden haben.«
Der Ältere seufzte bedauernd. »Zu schade, Cayal, dass du unbedingt sterben willst, wo du offenbar gerade ein wenig Weisheit entwickelst.«
»Wie geht’s nun weiter?«, fragte Declan.
Cayal sah ihn leicht verwundert an. »Was?«
»Wir brauchen doch irgendeinen Untersatz, oder?«
»Ja.«
»Tja, das Dach ist futsch, der Teppich liegt irgendwo in Stevanien, und hier scheint es nicht viel zu geben, woraus wir uns ein Floß bauen könnten«, meinte Declan und wies auf die öde Felslandschaft ringsum.
»Kentravyon hat einen Dolch. Wir können dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen und sie auf einen Rahmen aus Treibholz spannen. Ich meine, du bist doch schließlich der Längste von uns dreien, also ist es nur recht und billig, dass du dich opferst. Und keine Sorge, deine Pelle wird in ein, zwei Tagen nachgewachsen sein. Es könnte allerdings ein bisschen wehtun. Was meinst du, Kentravyon?«
Der Verrückte schmunzelte. »Ich glaube, du hast nur auf die Gelegenheit gewartet, so was vorzuschlagen, seit wir aus Stevanien weg sind.«
Cayal grinste zurück. »Das heißt nicht, dass es keine gute Idee ist.«
»Es ist eine alberne Idee.« Declan hatte es endlich geschafft, seinen rechten Stiefel loszuwerden. »Warum nehmen wir nicht einfach Kentravyons Umhang?«
Cayal machte bei diesem Vorschlag ein enttäuschtes Gesicht und sah Kentravyon an, wohl in der Hoffnung, der würde ablehnen. »Also, du musst ihn nicht unbedingt abgeben, alter Junge. Das Fell vom Ratz ist bestimmt dick genug, um uns zu tragen.«
»Vielleicht«, stimmte Kentravyon zu, »aber die Zeit, die er brauchen wird, um zu heilen, ist Zeit, die wir schlicht nicht haben.«
Declan fand die Vorstellung mehr als unbehaglich, dass Kentravyon Cayals groteskem Vorschlag nur deshalb nicht zustimmte, weil der Heilungsprozess eines lebendig Gehäuteten sie womöglich aufhalten würde. Er dachte an die Reihen aus Toten auf dem Tempelberg in Stevanien. Gezeiten, was sind sie doch für barbarische Scheusale.
Und wozu macht mich das dann?
»Das ist also geklärt«, sagte er, und um
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